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9.1 Fragen nach Heimat, Zugehörigkeit und Identität

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Urheber: Franzfoto

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Illerbeuren_-_Bauernhofmuseum,_Arlesrieder_Pfarrstadel.JPG

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Sieht sehr heimatlich aus.

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Heimat – das ist ein großes Wort. Heimat ist ein schwer zu definierender Begriff. Heimat kann ein Ort sein – aber auch viel mehr. Heimat hat etwas mit Herkunft, Erfahrungen und Sehnsucht zu tun. Sie prägt die Persönlichkeit und ist somit ein wichtiger Teil der Identität.

Was ist Heimat? Eine kleine Sammlung

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Sprichwort Philosoph Schriftsteller Kinderlied Song
home is where the heart is by Alexa Mendoza from the Noun Project
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Urheber: Alexa Mendoza

https://thenounproject.com/term/home-is-where-the-heart-is/685248/

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Home is
where your heart is

Englisches Sprichwort

Portrait of Johann Gottfried Herder (1744-1803)
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Urheber: Anton Graff

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Johann_Gottfried_Herder_2.jpg

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Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss.

Johann Gottfried Herder, deutscher Dichter und Philosoph (1744–1803)

Czech writer Franz Kafka
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Urheber: anonymous (the author never disclosed his identity); as much is indicated by omission of reference in 1958's Archiv Frans Wagenbach.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kafka.jpg

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Prag lässt nicht los. Dieses Mütterchen hat Krallen.

Der aus Prag stammende Schriftsteller Franz Kafka (1883–1924)

United Nations Development Programme in Europe and CISFo
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Urheber: Jocelyn Finlay

https://www.flickr.com/photos/undpeuropeandcis/7554302314

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Unsre Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer, unsre Heimat sind auch all die Bäume im Wald. Unsre Heimat, ist das Gras auf der Wiese, das Korn auf dem Feld und die Vögel in der Luft und die Tiere der Erde und die Fische im Fluss sind die Heimat.

Text eines Liedes der DDR-Pioniere

Publicity photo of American musician Tom Waits circa 1974–75, around the time Asylum Records was promoting his second album, The Heart of Saturday Night.
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Urheber: Published by Asylum Records. Photographer uncredited and unknown.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tom_Waits_(1974%E2%80%9375_Asylum_publicity_photo_-_headshot).jpg?uselang=de

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Well I don´t need anybody, because I learned, I learned to be alone.

Well I said anywhere, anywhere, anywhere I lay may head, boys,

well I gonna call my home.

Songtext des US-amerikanischen Musikers Tom Waits

Sprichwort Philosoph Schriftsteller Kinderlied Song

1 Heimat – ein Ort?

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Eine weit verbreitete Definition von Heimat lautet: Heimat ist der Ort, an dem man geboren und aufgewachsen ist. Das ist eine naheliegende und leicht verständliche Beschreibung. Das Zimmer, in dem wir als Kind geschlafen haben, der Garten, in dem wir gespielt haben, die Stadt, in der wir unsere ersten Freunde getroffen haben – all das bleibt uns ein Leben lang in Erinnerung.

Darüber hinaus neigen die meisten Menschen zu Nostalgie, das heißt, je älter sie werden, desto mehr sehen sie ihre frühen Erfahrungen und Erlebnisse positiv. Die Kindheit erscheint so den meisten Menschen im Nachhinein als eine Zeit der Sicherheit und des Glücks. Die Sorgen und Probleme, die sie vielleicht auch als Kind schon umgetrieben haben, verdrängen sie eher. Deshalb verbinden sie oft mit dem Ort, an denen ihre kindlichen Erfahrungen stattgefunden haben, positive, heimatliche Gefühle.

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Bild von press 👍 and ⭐ auf Pixabay
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Urheber: Victoria_Borodinova

https://pixabay.com/de/photos/kinder-spiele-kissenschlacht-5022338/

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Heimatorte aus der Kindheit kann man gut daran erkennen, dass man, wenn man sie später wieder besucht, ein 'nostalgisches' Gefühl bekommt. Ein solches Gefühl kriegen Erwachsene oft, wenn sie in ihrem Elternhaus in ihrem alten Kinderzimmer stehen,

Bild von Katav auf Pixabay
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Urheber: Katav

https://pixabay.com/de/photos/sommer-spur-wald-1760571/

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oder bei einem Waldspaziergang an ihrem alten Lieblingsspielplatz vorbeikommen,

Die Carl-Küstner-Grundschule in Guntersblum (Rheinland-Pfalz) von außen
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Urheber: Jivee Blau

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Guntersblum-_Carl-K%C3%BCstner-Grundschule-_von_Schulhof_aus_26.1.2009.JPG

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oder ihre alte Grundschule besuchen – vorausgesetzt sie hatten an dieser Schule genug schöne Momente erlebt.

Heimat im Museum

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Heimat- und Freilichtmuseen wie z. B. der Hessenpark in Neu-Anspach vereinen in sich die Konzepte von Heimat als Ort und als Erinnerung. Hier soll vor allem der Alltag der Vergangenheit erlebbar werden, aber ein Alltag, wie er eben an einem bestimmten Ort, (z. B. in einem mittelhessischen Dorf) stattgefunden hat. Gleichzeitig werden hier aber auch Geschichten darüber erzählt, wie es ist, sich einen neuen Ort als Heimat erschließen zu müssen (z. B. hier).

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Hessenpark - Marktplatz
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Urheber: Anagoria

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:20190420_114402_Marktplatz,_Hessenpark_anagoria.jpg

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Der historische Marktplatz im Hessenpark

2 Kann man mehrere Heimaten haben?

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Für einen Menschen, der dort lebt, wo er geboren und aufgewachsen ist, ist die Frage nach seiner Heimat also meistens leicht zu beantworten. Wenn der Mensch sei­nen Ge­burts­ort aber ir­gend­wann für län­ge­re Zeit ver­lässt, wird es kom­pli­ziert. Die alte Hei­mat be­hält er in sei­nen Ge­dan­ken und Er­in­ne­run­gen. Aber was macht er mit dem Ort, an den er ge­zo­gen ist?

Wenn er Glück hat, wird er auch dort schö­ne Er­leb­nis­se haben, Freun­de fin­den, sich ein Heim schaf­fen. Dafür ver­wen­det man dann Be­grif­fe wie 'an­ge­kom­men sein', 'Wahl­hei­mat' oder 'auf­ge­nom­men wer­den'. Und das be­deu­tet viel­leicht tat­säch­lich, dass zur ur­sprüng­li­chen Hei­mat eine zwei­te Hei­mat hin­zu­ge­kom­men ist.

Hat der Mensch aber Pech, so wird er nicht ak­zep­tiert und fin­det kei­nen Zu­gang zu sei­nen Mit­men­schen. Dann spricht man eher von 'Exil', 'Frem­de' oder 'drau­ßen blei­ben'. Und in so einem Fall wird der be­trof­fe­ne Mensch seine ur­sprüng­li­che Hei­mat oft umso po­si­tiver sehen. Im Ge­gen­satz zum neuen Auf­ent­halts­ort bie­tet ihm dann die Er­in­ne­rung an seine frü­he­re Hei­mat schö­ne Ge­füh­le und Er­in­ne­run­gen.

Drei Menschen fliehen – Wer findet eine zweite Heimat?

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Hans G. Conrad (Foto): Walter Gropius auf der Terrasse der Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm am 1. Oktober 1955 während der Feier zur Einweihung der Gebäude.
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Urheber: René Spitz

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1955_01-Oct_HansGConrad_Portrait-WalterGropius_HfGUlm-Opening.jpg

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Der Architekt Walter Gropius (1883–1969) floh vor den Nationalsozialisten in die USA, wurde dort Staatsbürger, arbeitete weiter, erhielt Aufträge und Anerkennung. Nach Kriegsende blieb er in den USA, reiste aber immer wieder nach Deutschland.

Deutsche Dichterin und Nobelpreisträgerin Nelly Sachs
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Urheber: Anonym

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nelly_Sachs_1910.jpg?uselang=de

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Die Dichterin Nelly Sachs (1891–1970) floh vor den Nationalsozialisten nach Schweden, sie arbeitet dort zunächst als Wäscherin, dann als Übersetzerin. Ihre eigene Dichtung wurde erst später anerkannt, 1966 erhielt sie den Literaturnobelpreis.

Stefan Zweig in Vienna, circa 1900
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Urheber: Kunst Salon Pictzner

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stefan_Zweig_1900_cropped.jpg

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Der Schriftsteller Stefan Zweig (1881–1942) floh vor den Nationalsozialisten nach Brasilien. Er wurde dort als Künstler bewundert und unterstützt, tötete sich jedoch 1942 selbst. Er schrieb, dass er den Verlust seiner geistigen Heimat Europa nicht überstanden habe.

3 Heimat – ein Gefühl?

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Man kann Heimat aber noch anders verstehen. Sie kann mehr sein, als der Ort, aus dem man stammt. Heimat kann auch eine Sprache, ein Dialekt, ein Lied sein. Sie kann der Geschmack eines Essens sein, ein Spiel oder eine alltägliche Gewohnheit. Wichtig ist nur, dass wir mit der jeweiligen Sache positive Erinnerungen an ein heimatliches Zuhause verbinden. Heimat lässt sich also an unterschiedliche Orte mitnehmen.
Ich kann an einem anderen Ort das Essen zubereiten, das mir meine Mutter immer gekocht hat. Und es ist überall möglich, Menschen zu treffen, die den Dialekt meiner Eltern sprechen.

Mit diesem Gefühl von Heimat hat es sicher auch zu tun, dass Migranten oft gemeinsam eine Gruppe bilden. Sie suchen dann zum Beispiel Menschen, die aus der gleichen Gegend stammen. Und untereinander sprechen sie dann vielleicht auch weiter ihre Sprache. Zum Heimatgefühl kann auch beitragen, im Internet oder mit Satellitenfernsehen die Spiele der heimatlichen Fußballmannschaft anzuschauen. All das erzeugt ein Gefühl von Heimat, auch wenn diese Heimat mehrere tausend Kilometer entfernt liegt.

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Intermarkt Stolitschniy in Berlin
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Urheber: Saalebaer

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Intermarkt_Stolitschniy_in_Berlin.JPG

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Um an ihre 'heimatlichen' Nahrungsmittel und Einrichtungsgegenstände zu kommen, haben Migranten oft spezielle Läden. Diese bieten die Produkte aus der ursprünglichen Herkunftsregion an. Hier zu sehen ist ein russischer Supermarkt in Berlin. Ähnliche Läden gibt es auch für ostasiatische, arabische und türkische Produkte.

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Urheber: Georg Slickers

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berlin-neukoelln_satellite-dishes_20050314_p1010596.jpg

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Eine Verbindung in die Heimat: Über Satellitenfernsehen können sich Migranten Nachrichten, TV-Serien und Sportereignisse aus ihrer Heimat ins eigene Wohnzimmer holen. Das Foto wurde in Neukölln gemacht, einem Berliner Stadtteil, in dem viele Migranten leben.

GROUP PHOTOGRAPH OF THE CONCORD SINGERS, MEMBERS OF THE COMMUNITY OF NEW ULM, MINNESOTA, WHO SPECIALIZE IN GERMAN SONGS THE TOWN WAS FOUNDED IN 1854 BY A GERMAN IMMIGRANT LAND COMPANY THE GROUP IS MADE UP OF MEN OF VARYING OCCUPATIONS, AND INCLUDES NEWCOMERS WHO WORK IN THE MANUFACTURING PLANTS AS WELL AS LIFE-LONG RESIDENTS. TWENTY YEARS AGO MANY OF THE TOWN'S INHABITANTS COULD SPEAK SOME GERMAN, BUT THE TRADITION IS DYING AND THE SINGERS ARE TRYING TO KEEP THE HERITAGE ALIVE
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Urheber: Flip Schulke (1930–2008)

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:GROUP_PHOTOGRAPH_OF_THE_CONCORD_SINGERS,_MEMBERS_OF_THE_COMMUNITY_OF_NEW_ULM,_MINNESOTA,_WHO_SPECIALIZE_IN_GERMAN..._-_NARA_-_558260.jpg

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Singen, Tanzen, Brauchtumspflege – auch dabei kann man die eigene Heimat spüren. Das Foto zeigt die 'Concord Singers' aus New Ulm, Minnesota (USA). Die Nachfahren deutscher Einwanderer pflegen hier bis heute deutsches Liedgut und deutsche Trachten.

Heimat in Filmen

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Musikvideo Imagefilm Heimatfilm
Simeon - CITY BOY
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https://www.youtube.com/watch?v=xdvkIDDyPNc&t=67s

Hessen Imagefilm (Deutsch)
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https://www.youtube.com/watch?v=bul7hbAie5E

Musikvideo Imagefilm Heimatfilm
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Essen in Hessen

Handkäs mit Musik

Wer jemals nach Frankfurt oder in die Umgebung kommt, muss diese Spezialität probieren, sonst versäumt er einen Hochgenuss! Allerdings schmeckt er "dorsch un dorsch" am besten, d. h. er muss gut durch sein!
Und so isst man ihn: Eine Scheibe Brot mit Butter bestreichen, ein Stück Käse abschneiden und darauflegen, abbeißen.
Für die "Musik" sorgen kleine geschnittene Zwiebeln in Essig mit ein wenig Öl und Pfeffer nach Geschmack.
Auch der Handkäs kann darin etwas ziehen. Eine besondere Geschmacksnote entsteht, wenn man ihn mit Kümmel bestreut.
Handkäs wird nur mit dem Messer geschnitten, eine Gabel zu verwenden gilt als Stilbruch.

Nelly Däs, Kochbuch der Deutschen aus Russland, 5., erweiterte Auflage 2018, S. 14.

4 Russlanddeutsche und Heimat

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Fragen zu Heimat und Identität sind bei russlanddeutschen Spätaussiedlern besonders spannend. Als Aussiedler haben sie schon einmal zwei Orte, gegenüber denen sie heimatliche Gefühle haben können: ihren Herkunftsort in der ehemaligen Sowjetunion (v. a. in Russland und Kasachstan) und ihren jetzigen Wohnort in Deutschland. Hinzu kommen aber noch zwei 'alte Heimaten' – die Dörfer im ursprünglichen Siedlungsgebiet der Russlanddeutschen, aus denen sie während des Zweiten Weltkriegs deportiert wurden und das alte Deutschland, aus dem die Vorfahren einst weggezogen waren.

Und noch ein anderes Merkmal zieht sich durch das russlanddeutsche Verhältnis zu Heimat und Identität: Heimat ist den Russlanddeutschen fast nie 'geschenkt' worden. Sie hatten nur selten das Glück, in einen Ort hineingeboren zu werden, an dem sie 'dazugehörten' und wo sie ihr Leben lang bleiben konnten. Heimat musste für Russlanddeutsche meistens erarbeitet werden. Sie mussten Widerstände überwinden, Enttäuschungen ertragen und harte Umstände erdulden. Vielleicht hat gerade diese harte Arbeit die Russlanddeutschen zu Heimat-Experten gemacht.

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Darstellung 5

Der Historiker György Dalos über schwankendes Heimweh bei den Russlanddeutschen in den späten 1980er Jahren

In all den Jahren, als eine solche Lösung [eine Wiederherstellung der russlanddeutschen Republik in den alten Siedlungsgebieten an der Wolga] nicht einmal formulierbar gewesen war, hatte die sowjetdeutsche Frustration zu einer wachsenden Sehnsucht nach Rhein und Neckar geführt. Sobald jedoch die Perestroika oder noch mehr die Glasnost den Anschein erweckte, der Bann könne gebrochen werden, übte die Wolga für eine Weile wieder eine stärkere Anziehungskraft aus. [...]

So schien die Erneuerung der Wolgarepublik für einen historischen Augenblick die Möglichkeit zu eröffnen, als Sowjetbürger deutscher Nationalität den Zugang zu Menschenrechten und Wohlstandschancen zu erhalten, ohne die Strapazen einer Weltreise von Omsk nach Frankfurt und die Unsicherheit des Neuanfangs in einer fremden Welt auf sich nehmen zu müssen.

Perestroika und Glasnost: Reformpolitik in der Sowjetunion ab 1986, die die Situation der Russlanddeutschen verbesserte

György Dalos, Geschichte der Russlanddeutschen, München 2014, S. 269.

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Urheber: anagoria

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1794_Morgenstern_Bauernhof_anagoria.JPG?uselang=de

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Die 'alte Heimat': Das Gemälde aus dem 18. Jahrhundert zeigt das Leben auf einem deutschen Bauernhof. Aus dieser Welt kamen die meisten der ersten Russlanddeutschen. Johann Ludwig Ernst Morgenstern (1738–1819), "Ein Bauernhof" von 1794.

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Urheber: Unknown author

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1918._The_garden_in_Darmstadt.jpg

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Die 'alten Dörfer': Das Foto zeigt die Kolonie Darmstadt in der heutigen Ukraine im Jahr 1918. In solchen, von ihnen und ihren Vorfahren errichteten Dörfern, lebten die meisten Russlanddeutschen. 1941 wurden sie jedoch gezwungen, diese Dörfer zu verlassen. Sie wurden in die östlichen Teile der Sowjetunion deportiert.

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Urheber: Brücke-Osteuropa

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Russian-German-House_in_Barnaul.JPG

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Mehrere Jahrzehnte lebten die Russlanddeutschen dann in ihren zugewiesenen Gebieten, vor allem in Westsibirien und Kasachstan. Zu sehen ist das Russisch-Deutsche Haus in Barnaul (Altai, Russland).

Blick von der Zufahrt von Steinwand zur Maulkuppe auf die Hochhaussiedlung Aschenberg, Teil von Fulda
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Urheber: GerritR

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zoom_auf_den_Aschenberg_(Fulda).jpg

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Als sich die meisten Russlanddeutschen dann Ende des 20. Jahrhunderts entschlossen, nach Deutschland zurückzukehren, wartete dort ein ganz anderes Deutschland auf sie, als das, welches ihre Vorfahren verlassen hatten. Das Foto zeigt die Siedlung Aschenberg in Fulda, wo viele Spätaussiedler seit ihrer Rückkehr zunächst untergebracht wurden.

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Die Russlanddeutsche Swetlana Paschenko über ihre Gefühle zur 'Alten Heimat' Deutschland
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© Digitale Lernwelten GmbH

Arrc
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Eine ZDF-Doku über den Fuldaer Stadtteil Aschenberg – ab Minute 15.40 erzählt die Spätaussiedlerin Katharina Hilkevic von ihrer alten und ihrer neuen Heimat.

Heimat geht durch den Magen – Russlanddeutsche Rezepte und Erinnerungen

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Schnitzsuppe Rote Beete
Schnitzsuppe von Emma Nazarenus / Schnittsuppe mit Dörrobst
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https://www.youtube.com/watch?v=hIJbDlFVyq4&feature=youtu.be

Quelle: Bunde der Vertriebenen (BdV)
Rote Bete von Erwin Vetter
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https://www.youtube.com/watch?v=UatT4q2KC7I&feature=youtu.be

Schnitzsuppe Rote Beete

5 Zusammenfassung

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Auf dieser Seite ging es um die Frage, was Heimat eigentlich bedeutet und wie sie empfunden werden kann.

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Heimat als Ort Mehrere Heimaten Heimat als Gefühl
Bild von press 👍 and ⭐ auf Pixabay
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Urheber: Victoria_Borodinova

https://pixabay.com/de/photos/kinder-spiele-kissenschlacht-5022338/

PDBYSA

Für viele Menschen ist Heimat der Ort, an dem sie aufgewachsen sind und zu dem sie viele positive Erinnerungen haben. Das kann z. B. das Elternhaus oder die Nachbarschaft, in der man aufwuchs, sein. 

Hans G. Conrad (Foto): Walter Gropius auf der Terrasse der Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm am 1. Oktober 1955 während der Feier zur Einweihung der Gebäude.
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Urheber: René Spitz

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1955_01-Oct_HansGConrad_Portrait-WalterGropius_HfGUlm-Opening.jpg

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Menschen, die zeit ihres Lebens an einen neuen Ort ziehen, können heimatliche Gefühle mehreren Orten gegenüber haben. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie auch am neuen Ort positive Erfahrungen machen.

Intermarkt Stolitschniy in Berlin
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Urheber: Saalebaer

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Intermarkt_Stolitschniy_in_Berlin.JPG

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Heimatliche Gefühle können aber nicht nur von Orten, sondern auch von einem Essen, Gerüchen, Liedern, oder einem bestimmten Dialekt ausgelöst werden.  

Heimat als Ort Mehrere Heimaten Heimat als Gefühl