Heimat – das ist ein großes Wort. Heimat ist ein schwer zu definierender Begriff. Heimat kann ein Ort sein – aber auch viel mehr. Heimat hat etwas mit Herkunft, Erfahrungen und Sehnsucht zu tun. Sie prägt die Persönlichkeit und ist somit ein wichtiger Teil der Identität.
Was ist Heimat? Eine kleine Sammlung
Home is
where your heart is
Englisches Sprichwort
Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss.
Johann Gottfried Herder, deutscher Dichter und Philosoph (1744–1803)
Prag lässt nicht los. Dieses Mütterchen hat Krallen.
Der aus Prag stammende Schriftsteller Franz Kafka (1883–1924)
Unsre Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer, unsre Heimat sind auch all die Bäume im Wald. Unsre Heimat, ist das Gras auf der Wiese, das Korn auf dem Feld und die Vögel in der Luft und die Tiere der Erde und die Fische im Fluss sind die Heimat.
Text eines Liedes der DDR-Pioniere
Well I don´t need anybody, because I learned, I learned to be alone.
Well I said anywhere, anywhere, anywhere I lay may head, boys,
well I gonna call my home.
Songtext des US-amerikanischen Musikers Tom Waits
1 Heimat – ein Ort?
Eine weit verbreitete Definition von Heimat lautet: Heimat ist der Ort, an dem man geboren und aufgewachsen ist. Das ist eine naheliegende und leicht verständliche Beschreibung. Das Zimmer, in dem wir als Kind geschlafen haben, der Garten, in dem wir gespielt haben, die Stadt, in der wir unsere ersten Freunde getroffen haben – all das bleibt uns ein Leben lang in Erinnerung.
Darüber hinaus neigen die meisten Menschen zu Nostalgie, das heißt, je älter sie werden, desto mehr sehen sie ihre frühen Erfahrungen und Erlebnisse positiv. Die Kindheit erscheint so den meisten Menschen im Nachhinein als eine Zeit der Sicherheit und des Glücks. Die Sorgen und Probleme, die sie vielleicht auch als Kind schon umgetrieben haben, verdrängen sie eher. Deshalb verbinden sie oft mit dem Ort, an denen ihre kindlichen Erfahrungen stattgefunden haben, positive, heimatliche Gefühle.
Galerie: Heimatorte aus der Kindheit
Heimat im Museum
Heimat- und Freilichtmuseen wie z. B. der Hessenpark in Neu-Anspach vereinen in sich die Konzepte von Heimat als Ort und als Erinnerung. Hier soll vor allem der Alltag der Vergangenheit erlebbar werden, aber ein Alltag, wie er eben an einem bestimmten Ort, (z. B. in einem mittelhessischen Dorf) stattgefunden hat. Gleichzeitig werden hier aber auch Geschichten darüber erzählt, wie es ist, sich einen neuen Ort als Heimat erschließen zu müssen (z. B. hier).
2 Kann man mehrere Heimaten haben?
Für einen Menschen, der dort lebt, wo er geboren und aufgewachsen
ist, ist die Frage nach seiner Heimat also meistens leicht zu
beantworten. Wenn der Mensch seinen Geburtsort aber irgendwann für
längere Zeit verlässt, wird es kompliziert. Die alte Heimat
behält er in seinen Gedanken und Erinnerungen. Aber was macht er
mit dem Ort, an den er gezogen ist?
Wenn er Glück hat, wird er auch dort schöne Erlebnisse haben, Freunde finden, sich ein Heim schaffen. Dafür verwendet man dann Begriffe wie 'angekommen sein', 'Wahlheimat' oder 'aufgenommen werden'. Und das bedeutet vielleicht tatsächlich, dass zur ursprünglichen Heimat eine zweite Heimat hinzugekommen ist.
Hat der Mensch aber Pech, so wird er nicht akzeptiert und findet keinen Zugang zu seinen Mitmenschen. Dann spricht man eher von 'Exil', 'Fremde' oder 'draußen bleiben'. Und in so einem Fall wird der betroffene Mensch seine ursprüngliche Heimat oft umso positiver sehen. Im Gegensatz zum neuen Aufenthaltsort bietet ihm dann die Erinnerung an seine frühere Heimat schöne Gefühle und Erinnerungen.
Drei Menschen fliehen – Wer findet eine zweite Heimat?
Galerie: Wer findet eine zweite Heimat?
3 Heimat – ein Gefühl?
Man kann Heimat aber noch anders verstehen. Sie kann mehr sein, als
der Ort, aus dem man stammt. Heimat kann auch eine Sprache, ein Dialekt,
ein Lied sein. Sie kann der Geschmack eines Essens sein, ein Spiel oder
eine alltägliche Gewohnheit. Wichtig ist nur, dass wir mit der
jeweiligen Sache positive Erinnerungen an ein heimatliches Zuhause
verbinden. Heimat lässt sich also an unterschiedliche Orte mitnehmen.
Ich
kann an einem anderen Ort das Essen zubereiten, das mir meine Mutter
immer gekocht hat. Und es ist überall möglich, Menschen zu treffen, die
den Dialekt meiner Eltern sprechen.
Mit diesem Gefühl von Heimat hat es sicher auch zu tun, dass Migranten oft gemeinsam eine Gruppe bilden. Sie suchen dann zum Beispiel Menschen, die aus der gleichen Gegend stammen. Und untereinander sprechen sie dann vielleicht auch weiter ihre Sprache. Zum Heimatgefühl kann auch beitragen, im Internet oder mit Satellitenfernsehen die Spiele der heimatlichen Fußballmannschaft anzuschauen. All das erzeugt ein Gefühl von Heimat, auch wenn diese Heimat mehrere tausend Kilometer entfernt liegt.
Galerie: gefühlte Heimat
Heimat in Filmen
Essen in Hessen
Handkäs mit Musik
Essen in Hessen
Handkäs mit Musik
Wer jemals nach Frankfurt oder in die Umgebung kommt, muss diese
Spezialität probieren, sonst versäumt er einen Hochgenuss! Allerdings
schmeckt er "dorsch un dorsch" am besten, d. h. er muss gut durch sein!
Und so isst man ihn: Eine Scheibe Brot mit Butter bestreichen, ein Stück Käse abschneiden und darauflegen, abbeißen.
Für die "Musik" sorgen kleine geschnittene Zwiebeln in Essig mit ein wenig Öl und Pfeffer nach Geschmack.
Auch der Handkäs kann darin etwas ziehen. Eine besondere Geschmacksnote entsteht, wenn man ihn mit Kümmel bestreut.
Handkäs wird nur mit dem Messer geschnitten, eine Gabel zu verwenden gilt als Stilbruch.
4 Russlanddeutsche und Heimat
Fragen zu Heimat und Identität sind bei russlanddeutschen Spätaussiedlern besonders spannend. Als Aussiedler haben sie schon einmal zwei Orte, gegenüber denen sie heimatliche Gefühle haben können: ihren Herkunftsort in der ehemaligen Sowjetunion (v. a. in Russland und Kasachstan) und ihren jetzigen Wohnort in Deutschland. Hinzu kommen aber noch zwei 'alte Heimaten' – die Dörfer im ursprünglichen Siedlungsgebiet der Russlanddeutschen, aus denen sie während des Zweiten Weltkriegs deportiert wurden und das alte Deutschland, aus dem die Vorfahren einst weggezogen waren.
Und noch ein anderes Merkmal zieht sich durch das russlanddeutsche
Verhältnis zu Heimat und Identität: Heimat ist den Russlanddeutschen
fast nie 'geschenkt' worden. Sie hatten nur selten das Glück, in einen
Ort hineingeboren zu werden, an dem sie 'dazugehörten' und wo sie ihr
Leben lang bleiben konnten. Heimat musste für Russlanddeutsche meistens
erarbeitet werden. Sie mussten Widerstände überwinden, Enttäuschungen
ertragen und harte Umstände erdulden. Vielleicht hat gerade diese harte
Arbeit die Russlanddeutschen zu Heimat-Experten gemacht.
Darstellung 5
Der Historiker György Dalos über schwankendes Heimweh bei den Russlanddeutschen in den späten 1980er Jahren
Darstellung 5
Der Historiker György Dalos über schwankendes Heimweh bei den Russlanddeutschen in den späten 1980er Jahren
In all den Jahren, als eine solche Lösung [eine Wiederherstellung der russlanddeutschen Republik in den alten Siedlungsgebieten an der Wolga] nicht einmal formulierbar gewesen war, hatte die sowjetdeutsche Frustration zu einer wachsenden Sehnsucht nach Rhein und Neckar geführt. Sobald jedoch die Perestroika oder noch mehr die Glasnost den Anschein erweckte, der Bann könne gebrochen werden, übte die Wolga für eine Weile wieder eine stärkere Anziehungskraft aus. [...]
So schien die Erneuerung der Wolgarepublik für einen historischen Augenblick die Möglichkeit zu eröffnen, als Sowjetbürger deutscher Nationalität den Zugang zu Menschenrechten und Wohlstandschancen zu erhalten, ohne die Strapazen einer Weltreise von Omsk nach Frankfurt und die Unsicherheit des Neuanfangs in einer fremden Welt auf sich nehmen zu müssen.
Perestroika und Glasnost: Reformpolitik in der Sowjetunion ab 1986, die die Situation der Russlanddeutschen verbesserte
Galerie: Russlanddeutsche Heimaten
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Heimat geht durch den Magen – Russlanddeutsche Rezepte und Erinnerungen
5 Zusammenfassung
Auf dieser Seite ging es um die Frage, was Heimat eigentlich bedeutet und wie sie empfunden werden kann.
Für viele Menschen ist Heimat der Ort, an dem sie aufgewachsen sind und zu dem sie viele positive Erinnerungen haben. Das kann z. B. das Elternhaus oder die Nachbarschaft, in der man aufwuchs, sein.
Menschen, die zeit ihres Lebens an einen neuen Ort ziehen, können heimatliche Gefühle mehreren Orten gegenüber haben. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie auch am neuen Ort positive Erfahrungen machen.
Heimatliche Gefühle können aber nicht nur von Orten, sondern auch von einem Essen, Gerüchen, Liedern, oder einem bestimmten Dialekt ausgelöst werden.