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3.1 Einwanderer nach Deutschland und deutsche Auswanderer

Fresko in Visegrád/Ungarn zur Erinnerung an die Neubesiedlung des Ortes durch die „Donauschwaben“ nach den Türkenkriegen und deren Vertreibung 1946
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Urheber: Mediatus

https://de.wikipedia.org/wiki/Donauschwaben#/media/Datei:Ulm_-_Plintenburg_-_Fresko_in_Visegr%C3%A1d.jpg

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Auf der Suche nach einer neuen Existenz

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Die Russlanddeutschen waren nicht die einzigen Siedler, die sich im 18. Jahrhundert in Europa auf den Weg in eine bessere Zukunft machten – im Gegenteil. Diese Zeit war eine Hochzeit europäischer Migration. Ständig verließen Menschen ihre alte Heimat, um an einem anderen Ort ein neues Leben zu beginnen. Und das Heilige Römische Reich war – mitten in Europa gelegen – häufig Ziel oder Ausgangspunkt solcher Siedlungsströme.  

1 Kolonistenbewegungen in der Alten Welt

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Im 18. Jahrhundert gab es mehrere Kolonistenbewegungen in Europa. In den Regierungen der Herrscher verbreitete sich der Gedanke, dass es große Vorteile haben konnte, wenn man im eigenen Land Menschen aus anderen Ländern ansiedelte, die loyal zum Herrscher standen, ihre Religion frei ausüben konnten und in der Lage waren, mit ihren beruflichen Fähigkeiten die Wirtschaft zu stärken.

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Hugenotten I Hugenotten II Hugenotten III 'Exulanten'
, Öl auf Leinwand, 89,5x136,5 cm
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Urheber: Johann Heinrich Tischbein der Ältere

https://de.wikipedia.org/wiki/Fridericianum_(Kassel)#/media/Datei:Tischbein-friedrichsplatz-kassel.jpg

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Das Bild des Malers Tischbein zeigt die Enthüllung des Denkmals Landgraf Friedrichs II. Rechts ist das Museum Fridericianum zu erkennen, das von 1769 bis 1779 unter Leitung des Architekten Simon Louis du Ry errichtet wurde. Es war eines der ersten rein klassizistischen Gebäude in Deutschland.

Von Frankreich nach Hessen
Landgraf Karl von Hessen-Kassel holte Hugenotten ins Land, also französische Protestanten, die im katholischen Frankreich verfolgt wurden. 1688 legte er z. B. selbst den Grundstein für die Oberneustadt in Kassel. Dort und in 19 weiteren Orten ließen sich in der Landgrafschaft Hugenotten nieder. Auch sie bekamen ähnliche Zusicherungen, wie sie später die Auswanderer nach Russland erhielten. In Kassel siedelten sich schließlich etwa 2.000 Hugenotten an, im ganzen Land 4.000. In Carlshafen (Bad Karlshafen) sollte sogar eine neue Fabrik- und Handelsstadt entstehen.
Der Landesherr beförderte diese Einwanderungen mit Nachdruck. Denn noch immer waren als Folge des Dreißigjährigen Krieges weite Teile des Landes nur dünn besiedelt. Es fehlte insbesondere an Handwerkern und Fachleuten aller Art. Gerade diese Leute kamen jetzt ins Land: Manufakturspezialisten, Handwerker, Architekten, Wissenschaftler. So etwa die Baumeisterfamilie du Ry, die ihre Spuren etwa mit dem Fridericianum in Kassel und in Wilhelmshöhe hinterlassen hat.

Französische Kirche in Potsdam
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Urheber: Avda

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sische_Kirche_(Potsdam)#/media/Datei:Potsdam_-_Franz%C3%B6sische_Kirche_-_2013.jpg

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Französische Kirche in Potsdam (errichtet 1752/53)

Von Frankreich nach Brandenburg
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg holte 1685 mit dem Edikt von Potsdam ebenfalls französische Hugenotten ins Land. In Brandenburg, wo die protestantische Konfession galt, mussten sie keine Verfolgung befürchten. Etwa 20.000 dieser Hugenotten siedelten sich in Brandenburg an und trugen auch dort zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung des Landes bei. Sie etablierten beispielsweise den Tabakanbau, beförderten die Seidenproduktion und bauten neue Siedlungen.

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Urheber: Johann Baptist Homann

https://de.wikipedia.org/wiki/Hugenottenkirche_(Erlangen)#/media/Datei:Erlangen_Hugenottenkirche_1721_001.JPG

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Französisch-reformierte Kirche in Erlangen auf einer Abbildung von 1721

Von Frankreich nach Franken
Auch Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth holte Hugenotten in sein Territorium. In Erlangen entstand sogar eine neue Stadt für diese zugewanderten Glaubensflüchtlinge. Der Baumeister des Markgrafen bekam den Auftrag, eine „Idealstadt“ zu errichten: breite regelmäßige Straßen statt krumme dunkle Gassen. Der Landesherr interessierte sich dabei vor allem für Handwerker und Fabrikunternehmer. Die Privilegien, die er den Einwanderern anbot, sind denen der russischen Zarin Katharina für die Russlanddeutschen ebenfalls ziemlich ähnlich: Darunter waren Steuerbefreiungen und Darlehen für Betriebsgründungen sowie natürlich das Recht, die eigene Religion ungehindert ausüben zu können.

Auswanderung der Protestanten aus Rochlitz im Isergebirge nach Schwarzbach in Sachsen anno 1682
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Urheber: Jürgen Gerner

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So stellte sich ein Nachfahre eines der böhmischen Auswanderer den Zug der Exulanten nach Sachsen vor (2006).

Von Böhmen nach Sachsen oder Brandenburg
Protestanten aus Böhmen, die sogenannten böhmischen Exulanten, wanderten ebenfalls in verschiedene Regionen aus, viele nach Sachsen und Brandenburg. Man schätzt, dass es bis zu 150.000 Menschen waren, die sich auf den Weg machten, um einen neuen Ort zu finden, an dem sie leben konnten. Auch sie beeinflussten mit spezifischen Fähigkeiten und mit ihrem Aufbaufleiß die Wirtschaft der Regionen, in die sie gingen. Der Musikinstrumentenbau im Vogtland in Sachsen wurde beispielsweise von den Einwanderern aus Böhmen sehr stark geprägt. Und auch die (Neu-)Besiedlung spielte eine große Rolle. So entstanden in Brandenburg etwa 900 Kolonistendörfer.

Hugenotten I Hugenotten II Hugenotten III 'Exulanten'
Viele Strassenschilder werden in Ödenburg (Sopron) zweisprachig geführt, wie das der Grabenrunde
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Urheber: Michael Kargl

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Sopron.Grabenrunde.zweisprachiges.Strassenschild.jpg

PD

2 Beispiel für die Auswanderung nach Osten: die Donauschwaben

Kriegszerstörte Länder, vernichtete Siedlungen, öde Gegenden – Was tun?

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Das Bild am Beginn dieses Abschnitts zeigt sogenannte Donauschwaben, die mit ihren Booten, die man Ulmer Schachteln nennt, die Donau hinab fuhren, um sich in Südosteuropa anzusiedeln. Wie kam es dazu?
Nach den Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts fielen riesige Gebiete an die Habsburger, nur waren sie nahezu menschenleer. Viele Siedlungen waren zerstört und die Menschen gestorben oder geflohen. Wie sollte die Zukunft dieser Länder aussehen?

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Belagerung der von den Osmanen gehaltenen Stadt Buda und deren Rückeroberung
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Urheber: Frans Geffels (1624-1694), flämischer Maler

https://en.wikipedia.org/wiki/en:Frans_Geffels?uselang=de#/media/File:Reprise_Buda_1686.jpg

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Rückeroberung von Buda (1686)

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Türkenkriege im 17. Jahrhundert

Ein riesiges Land wird erobert, aber nach einem Krieg kann man nicht einfach weitermachen wie vorher.

Im Jahr 1683 standen osmanische Truppen vor Wien, um es zu erobern. Ihr Feldzug misslang. Das steht in jedem Schulbuch. Was nicht mehr jeder weiß: Der Krieg zwischen christlichen und osmanischen Heeren ging weiter. Und er führte dazu, dass die Osmanen immer weiter aus Südosteuropa verdrängt wurden. 1686 wurden die Osmanen aus Buda, der Hauptstadt Ungarns, vertrieben, 1688 aus Belgrad. Riesige Gebiete, u. a. das Banat und die Batschka, wurden zu Einflussgebieten des Habsburgischen Herrscherhauses.
Diese Gebiete aber waren zu einem großen Teil als Folge der Kriegszüge entvölkert. Viele Menschen waren gestorben, geflohen oder in andere Gegenden gegangen. Viele Städte und Dörfer waren zerstört. Die wirtschaftliche Struktur war zusammengebrochen. Menschen zogen sich in schwer zugängliche Gebiete wie Sümpfe, Wälder oder Gebirge zurück. Felder wurden kaum noch bebaut. Die überlebenden Bauern bewirtschafteten, was gerade nötig und möglich war. Die freien Flächen wurden, wenn überhaupt, nur noch zur Weidewirtschaft genutzt.

Marcus Ventzke, Digitale Lernwelten

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Menschenleere

Bevölkerungsverluste durch die Türkenkriege und wirtschaftlicher Niedergang

Die Komitate Baranya und Tolna waren bis zum 15. Jahrhundert eine der am dichtesten besiedelten und reichsten Gegenden Ungarns. Im Jahre 1495 gab es in den 922 Dörfern und 27 Städten der Baranya 15.018 Steuerzahler, die 9.042 Forint bezahlten. In der Tolna entrichteten die Steuerzahler in 540 Dörfern und 21 Städten 10.031 Forint. 1696 hatte das Komitat Baranya nur 110 bewohnte Orte mit 2.554 Steuerzahlern. Im Komitat Tolna waren lediglich 28 Orte bewohnt, wo man 488 ungarische und 459 serbische Steuerzahler registrierte. In den nördlichen Gebieten Ungarns begann bereits während des 15. Jahrhunderts die Entvölkerung, als die Türken Ungarns Grenzen bedrohten. Vor der türkischen Eroberung flüchtete die Bevölkerung nach Norden. [...] Im Banat fand man 1688 südlich der Linie Donau-Marosch keine ungarische Siedlung mehr, nicht einmal in den Sumpf- und Überschwemmungsgebieten.

Márte Fata, Einwanderung und Ansiedlung der Deutschen (1686–1790), in: Deutsche Geschichte im Osten Europas, begründet von Werner Conze, hg. von Hartmut Boockmann u. a., Bd. Land an der Donau, hg. von Günter Schödl, Berlin 1995, S. 89–196, hier S. 95.

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Am Wiener Hof wurde beschlossen, die von den Osmanen eroberten, zum großen Teil menschenleeren Gebiete wieder zu besiedeln. Diese Wiederbesiedlung geschah durch staatliche und auch private Initiativen. Der Domherr des Erzkapitels von Esztergom und Abt Ferenc Jany etwa holte zum Beispiel über einen Agenten in Augsburg etwa 30 Familien aus der Augsburger Gegend auf die Güter seiner Abtei in Pécsvárad (Petschwar).
Auf den zum Teil riesigen Gütern der Adligen, der hohen Offiziere, Armeelieferanten und sonstigen Kriegsgewinner, die man aus Mangel an Geld für ihre Dienste oftmals mit Ländereien bezahlte, wurden viele Menschen angesiedelt. Prinz Eugen, der den Feldzug gegen die Osmanen angeführt hatte und als großer Kriegsheld galt, ließ Siedler auf sein Gut Belje kommen, ebenso wie die Familie Esterházy, die 1687 vom Kaiser in den Fürstenstand erhoben worden waren.

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Die von den Türken zurückeroberten Gebiete zum Beispiel Ungarns waren nur noch sehr dünn besiedelt. Der Vergleich zwischen den unbesetzten und den ehemals besetzten Gebieten in der Zeit nach der Vertreibung der Türken macht dies deutlich.

„Schwabenzüge“

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In drei größeren Wanderungswellen, den sogenannten Schwabenzügen, siedelten sich vom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts etwa 150.000 Menschen in den sogenannten Ländern der Ungarischen Krone an. Auch im 19. Jahrhundert ging die Einwanderung weiter.
Die deutschen Aussiedlungswilligen kamen oft aus dem süd- und südwestdeutschen Raum. Sie machten sich aus Schwaben, der Pfalz, Rhein- und Mainfranken auf den Weg nach Südosteuropa, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen.
Im Banat wurden während des ersten Schwabenzuges fast 60 deutsche Dörfer gegründet. Mit 23.000 waren die Menschen aus deutschen Landen zu jener Zeit dort die größte Einwanderungsgruppe. Und im Gegensatz zu anderen Siedlern etwa aus Italien und Frankreich, die ihre Schwierigkeiten mit Boden und Klima nicht bewältigen konnten, blieben sie auch.
Die Siedler des Ersten Schwabenzugs waren überwiegend katholisch. Protestanten wurden vor die Wahl gestellt, die Konfession zu wechseln oder von der Siedlung ausgeschlossen zu werden. Viele von ihnen ließen sich als Arbeitskräfte trotzdem anwerben. Die Religion war in dieser Zeit ein wichtiger Aspekt, wichtiger als regionale Herkunft oder andere kulturelle Eigenarten.

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Claudius Florimund de Mercy
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Urheber: anonymer Maler

https://de.wikipedia.org/wiki/Claudius_Florimund_Mercy#/media/Datei:HGM_Potr%C3%A4t_Florimund_de_Mercy.jpg

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Graf Claudius Florimund Mercy (1709)

Der erste Beauftragte für die Übersiedlung, Graf Claudius Florimund Mercy, kümmerte sich als Gouverneur des Banats intensiv um die Anwerbung. In Trier und Speyer, aber auch in Darmstadt und Fulda wurden Menschen geworben. Werberbüros verhandelten über die Freigabe der Siedlungswilligen durch ihre Herren, halfen bei der Ausstellung der Pässe und organisierten die Reisen.

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Bedingungen und Kosten der Übersiedlung während des ersten großen Schwabenzugs (1722–1726)

Übersiedlungswillige Kolonisten mussten nachweisen, über 200 Gulden (1 Gulden = ca. 50 Euro) zu verfügen und persönlich frei zu sein. Die Reisekosten vom alten Wohnort bis nach Wien hatten die Siedler selbst zu bestreiten. Die Kosten der Reise von Wien bis zum Ansiedlungsort wurden hingegen von den österreichischen und ungarischen Behörden oder den Grundherren der Ansiedlungsgebiete übernommen. Eheleute bekamen dabei während der Reise täglich 12, Alleinstehende nur 6 Kreuzer.
Zur Errichtung von Häusern bekamen die Siedler Kredite, die sie nur zum Teil zurückzahlen mussten. Die Bauern mussten drei Jahre lang gar keine Abgaben zahlen, später waren die üblichen Leistungen fällig. Ihnen wurde – beginnend nach drei Jahren – die Zahlung einer gewissen Summe an die Staatskasse auferlegt.
Für die Etablierung ihrer Wirtschaft und ihrer Siedlung bekamen sie Baugrund, Weideland, Ackerflächen (24 Joch = 1035 Ar) sowie Bauholz, Wirtschaftsgeräte und Haustiere.

Marcus Ventzke, Digitale Lernwelten

Eine gefährliche Reise

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Zeichnung einer Ulmer Schachtel
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https://de.wikipedia.org/wiki/Ulmer_Schachtel#/media/Datei:Ulmer_Schachtel.png

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Zeichnung einer sogenannten Ulmer Schachtel. Solche Boote wurden für die von der Strömung abhängige Reise flussabwärts gebaut.

Für die Reise in die neuen Siedlungsgebiete bot sich gerade für Kolonisten aus Süddeutschland der Weg über die Donau an. Viele kamen in die am Fluss gelegenen Städte wie Ulm oder Regensburg, um die gefährliche Reise per Boot zu beginnen. Ulm profitierte davon wirtschaftlich sehr stark. Bald gab es einen regelmäßigen Schiffsbetrieb. Die Reisenden hatten nicht nur viele Formalitäten zu bewältigen, oft ging ihnen auch unterwegs das Geld aus, in den Lagerplätzen grassierten Krankheiten und der Fluss war ebenfalls an vielen Stellen gefährlich. Viele Kolonisten überstanden die Strapazen nicht oder mussten die Reise abbrechen. Viele aber kamen auch in ihre neuen Siedlungsgebiete, von der Hoffnung auf ein besseres Leben getragen. Der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt schrieb im 18. Jahrhundert: Diese armen Schwaben gehen häufig als Kolonisten ins Banat, und träumen da goldne Berge.“1

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Imagefilm Ulmer Schachtel Baja
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https://www.youtube.com/watch?v=CowxxEnBg4w

Lernende des ungarndeutschen Bildungszentrums in Baja (Ungarn) stellen eine Ulmer Schachtel vor. [07.07.2021]
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Die Reise der Siedler nach Ungarn (die heutigen Landesgrenzen wurden eingezeichnet).
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Reise im Schiff die Donau hinab

Ein beobachtender reisender Schriftsteller berichtet

Die Menschen haben [auf dem Boot, M.V.] zwey Abtheilungen: die am hinteren Ende , das eben so gut, als das vordere ist, sitzen, zahlen bis Wien zwey, die andern vier bis fünf Gulden. Da sitzt und liegt und staht alles über und unter einander [...] zum Glück hat man das Verdeck, wenn es nicht regnet; sonst würden Hitze und Ausdünstungen es ganz unausstehlich machen.

Ernst Moritz Arndt, Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreich in den Jahren 1798 und 1799, Bd. 4, Leipzig 1804, S. 88.

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Auswanderung per Schiff

Wie muss man sich diese Boote vorstellen? Beispiel: die Zillen

Die Zillen waren für ihren spezifischen Zweck konstruierte Wasserfahrzeuge: sehr leicht in ihrer Bauart und flach, so dass sie nicht tief ins Wasser der Flüsse einsanken. Damit waren sie viel weniger der Gefahr ausgesetzt, auf Grund zu laufen und für die Fahrt flussabwärts besonders geeignet. Trotzdem blieb die Fahrt ein Abenteuer. Oftmals waren die Zillen auch nur schnell und behelfsmäßig gebaut. Sie waren auch nicht geteert. Das hatte den Vorteil, dass man sie an Ort und Stelle auseinander bauen und das Holz weiterverwenden konnte. Nicht selten bauten die Kolonisten mit den Brettern und Stämmen im Banat oder in der Batschka ihre neuen Häuser.

Marcus Ventzke, Digitale Lernwelten.

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Ein "Inpopulationspatent" wird erlassen

Einwanderer sollen nach Ungarn gelockt werden

Am 11. August 1689 erließ die von Kaiser Leopold I. zur Erarbeitung von Lösungen für die schwierige Situation nach den Türkenkriegen eingesetzte Hofkommission in Wien eine wichtige Regelung. Man kann sie als eine Art Gesetz zur Wiederbesiedlung ("Inpopulationspatent") bezeichnen. In diesem Patent wurden Siedlern folgende Versprechen gemacht:

  • niedrige Grundstückspreise
  • erblicher Besitz von Land und Gebäuden
  • Mautbefreiung beim Import von Baumaterialien
  • Steuerfreiheit für drei Jahre (inländische Kolonisten) oder für fünf Jahre (ausländische Kolonisten)
  • freier Wegzug

Außerdem sollten Handwerksbetriebe, der Bergbau und das Manufakturwesen gefördert werden.

Marcus Ventzke, Digitale Lernwelten

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Hof mit Laubengang in Neubeschenowa (Dudesti Noi) 2009
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Urheber: Dr-Victor-von-Doom

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Neubeschenowa_(Dudesti_Noi),_Hof_mit_Laubengang,_2009.JPG

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Hof mit Laubengang in Neubeschenowa (Dudesti Noi) 2009

Creatio ex nihil: Das Leben der Siedler oder: „Die ersten fanden den Tod, die zweiten hatten die Not, die dritten erst das Brot.“

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Arbeits- und Lebensweisen Hausbau und Siedlungen Religion und Schule Soziale Gruppen in Städten, politische Aktivität
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Urheber: Dr-Victor-von-Doom

https://de.wikipedia.org/wiki/Dude%C8%99tii_Noi#/media/Datei:1988_-_Neubeschenowaer_Tanzgruppe_01.jpg

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Tracht aus Neubeschenowa (Dudeștii Noi, Rumänien), im Banat, Trachtentanzgruppe 1988

Das Leben der Donauschwaben in den Dörfern war geprägt von den Pflichten und Zeitvorgaben der Landwirtschaft. Sie brachten neue Wirtschaftsweisen und Lebensgewohnheiten mit in ihre neue Lebensregion. Die Verbreitung des Weinbaus, die Haltung der Tiere auch in Ställen, neue Techniken des Hausbaus – oftmals ging dies auf die Kolonisten zurück. Man sagt, dass Werte wie Fleiß, Sparsamkeit, Zielstrebigkeit und Unternehmergeist die Kolonistengemeinschaften prägten. Das ist nicht untypisch für Siedler, die sich in der Fremde ein neues Leben aufbauen wollen. Im Geschlechterverhältnis war charakteristisch, dass die Frauen bei allen Aufgaben in Haus, Stall und Feld mitarbeiteten.

Die Trachten der Donauschwaben sind sehr von den regionalen Herkünften der Kolonisten bestimmt. Oftmals sind bei den Frauen Hüftröcke mit vielen Unterröcken markant. Darüber trifft man weiße Blusen, bestickte Jacken und Tücher an. Männer trugen oft weiße Hemden, schwarze Westen und Hüte. An den Füßen trug man oft Patschker – verzierte, gestrickte Schuhe.

Karte von Ebendorf, 1797
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https://de.wikipedia.org/wiki/Donauschwaben#/media/Datei:Karte_von_Ebendorf,_1797.jpg

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Grundriss von Ebendorf (heute Știuca in Rumänien) im Banat 1797

Die Dörfer errichteten die Kolonisten an landschaftlich geschützten Orten, wo es ging. Zumeist suchten sie nach einer Kombination von fruchtbaren Böden sowie ausreichend Wasserversorgung durch Bäche und Flüsse. Sehr oft wurden Straßendörfer errichtet, an denen sich die Gehöfte links und rechts der durch den Ort gehenden Straße aufreihten. Garten- und Weideland befand sich dann hinter den Häusern und gewissermaßen zwischen den Hausreihen.
Im 18. Jahrhundert wurden, der vernunftorientierten Weltsicht der Aufklärung entsprechend, auch sehr regelmäßig angelegte Siedlungsformen geschaffen, sogenannte Schachbrettdörfer. Das Zentrum der Dörfer bildeten natürlich die Kirche (oft in einem verspäteten Barock, dem sogenannten Siedlerbarock gebaut), das Schulgebäude sowie der Ort des gemeinschaftlichen Treffens und Feierns, das Gasthaus. Ausgehend von den ersten Siedlungshäusern entstanden zwei Grundtypen des Hausbaus, das Klein- und das Langhaus. Das Kleinhaus umfasste einen Wohnbereich, eine Kammer, Küche und Stall. Das Langhaus zog sich etwas mehr in die Länge, war unterkellert und hatte oftmals an der Seite einen Laubengang. Die Siedler zeigten ihre christliche Religion, etwa indem sie Wegkreuze errichteten, wenn sie der katholischen Konfession angehörten.

Rundgiebel an einem schwäbischen Bauernhaus
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Urheber: Landsmannschaft Banater Schwaben e.V., Archiv

https://www.banater-schwaben.org/nachrichten/kultur/details/248-nationale-abgrenzung-und-interethnischer-austausch-2/?type=98

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Rundgiebel eines schwäbischen Bauernhauses

Schule in Neubeschenowa (Banat)
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https://de.wikipedia.org/wiki/Dude%C8%99tii_Noi#/media/Datei:Neubeschenowa_Schule.jpg

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Schule in Neubeschenowa (Banat), historische Aufnahme

Die Siedlungsdörfer verfügten über eine Selbstverwaltung. Das betraf auch Kirche und Schule. Zwar benannte bei den Katholiken der Bischof den Priester, die weltlichen Kirchendiener aber wurden durch die Gemeinde bestimmt. Zunächst herrschte tatsächlich ein erheblicher Mangel an Geistlichen, da nur wenige Pfarrer aus den Herkunftsgebieten mit auswanderten. Daher kamen die Geistlichen anfangs aus schon bestehenden deutschen Siedlungen, etwa aus dem Burgenland. Schulen wurden von den Gemeinden betrieben. Die Lehrer wurden überwiegend in Naturalien entlohnt. In den Gemeinden wurden Elementarschulen unterhalten. Höhere Schulen gab es hingegen in den Provinzhauptstädten. Kaiser Joseph II., ein aktiver aufklärerischer Reformer, verfügte 1784, dass Deutsch zur Amtssprache der habsburgischen Besitzungen werden sollte, auch in Ungarn. Dies stärkte die Stellung der Kolonisten, verhinderte aber gleichwohl nicht, dass sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Zweisprachigkeit immer mehr durchsetzte.

Handwerker pflegten in den Zünften eine Selbstverwaltung ihrer beruflichen Angelegenheiten. Beamte wurden gewählt. Man bestimmte auch eigene Repräsentanten für politische Gremien, etwa den Ungarischen Landtag, in dem schon Ende des 18. Jahrhunderts ungarndeutsche Vertreter saßen.
Sie galten dort als "freie und unmittelbare Untertanen" des Königs.

Arbeits- und Lebensweisen Hausbau und Siedlungen Religion und Schule Soziale Gruppen in Städten, politische Aktivität
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„Die Donau fließt“

Ein Gedicht über die Auswanderung nach Ungarn

Die Donau fließt und wieder fließt
(Aus der Ansiedlungszeit)

Die Donau fließt und wieder fließt
wohl Tag und Nacht zum Meer.
Ein' Well die andere weiterzieht
und keine siehst du mehr
All' Frühjahr kehren d'Schwälblein zurück
der Storch kommt wieder her,
doch die gen Ungarn zogen sind,
die kommen nimmermehr.

Das Ungarland ist's reichste Land,
dort wächst viel Wein und Treid,
so hat's in Günzburg man verkünd't,
die Schiff stehn schon bereit,
dort geits viel Vieh und Fleisch und G'flüg,
und taglang ist die Weid,
wer jetzo zieht ins Ungarland,
dem blüht die goldne Zeit.

Mein Schätz hat auch sein Glück probiert,
doch nicht zum Zeitverteib,
und eh' der Holler's drittmal blüht
so hol ich dich als Weib,
und sieben, sieben lange Jahr,
die sind jetzt nun hinab,
ich wollt, ich wär bei meinem Schatz,
doch niemand weiß — sein Grab.

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Wer sind die Donauschwaben? - Donauschwäbisches Zentralmuseum Ulm - SWR Fernsehen
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https://www.youtube.com/watch?v=Dtp45QQMvmw

Leben und Kultur von Ungarndeutschen [07.07.2021]
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DIE DONAUSCHWABEN - KURZDARSTELLUNG
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https://www.youtube.com/watch?v=so2WvolMR8k

[07.07.2021]
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Urheber: Furfur

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Austria_Hungary_ethnic_de.svg

PD

3 Halt! Stopp! Was sollen diese Geschichten sagen? Und was bedeuten sie im Hinblick auf die Russlanddeutschen?

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Die sogenannte Alte Welt funktionierte an vielen Stellen anders als die im 19. Jahrhundert entstehende Welt der modernden Staaten und als einheitlich gedachten Nationen.

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Erklärung

Wie funktionierte die Alte Welt? – Einige Merkmale

Staat und Bevölkerung in der Alten Welt
Bis zum Ende der Frühen Neuzeit um 1800 waren die europäischen Länder überwiegend Monarchien. Der Herrscher bildete mit seiner Familie das Zentrum aller politischen Macht. Er regierte das Land mit seinen Räten. Alle Menschen, die in seinem Land lebten, waren seine Untertanen, auch die Adligen. Die Herrscher verteilten das Land (Lehen), die Rechte und Privilegien. Alle Untertanen leisteten den Eid auf den Herrscher. Sie versprachen, sich nicht aufzulehnen, ihre Abgaben zu leisten und den Kriegsdienst zu leisten. Wie sie sonst lebten, welche Lieder sie sangen oder welche Sprache sie sprachen, interessierte am Hofe des Herrschers meistens niemanden. Die einzige wirkliche Klammer des gesamten Staates war die Monarchie.
Um ihre Macht zu vergrößern, versuchten viele Herrscher, große Reiche zu bilden. Wenn sie Land eroberten, dann beherrschten sie es ebenfalls mit den Mitteln der Eidesleistung und der Verteilung von Ländereien und Privilegien. Ihnen kam es dabei nicht so sehr auf die Abstammung der Untertanen oder ihre kulturellen Eigenarten an.
Daher waren viele große Reiche früher Vielvölkerstaaten, so etwa das Habsburgische Reich, das Zarenreich oder auch das Osmanische Reich. Rassismus war meistens nicht bestimmend für die Politik.

Untergang der Alten Welt
Nach der Französischen Revolution setzte eine Veränderung ein. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich immer mehr die Idee, wonach einheitlich gedachte Ethnien (Völker) ihre eigenen Staaten und Regierungen haben sollten.

Staat und Bevölkerung nach dem Ende der Alten Welt
Vielvölkerstaaten wurden nun immer mehr abgelehnt. Ethnisch begründete Nationen wurden entworfen, zu denen auch jeweils eigene Staaten gehören sollten. Beispiel: Tschechen, Ungarn oder Kroatien betrachteten sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert immer weniger als Teil des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn, sondern wollten in eigenen, unabhängigen Staaten leben. Man nennt dieses Denken Volkssouveränität.
Damit entstanden in Europa viele Spannungen: So gab es Konflikte, weil sich Völker innerhalb der Staaten unterdrückt fühlten oder unterdrückt wurden und ihre eigenen Staaten beanspruchten. Oder es gab Konflikte, weil 'Mehrheitsvölker' in einem Staat die Minderheiten unterdrückten oder sie aus dem Land verjagen wollten. Nationalismus und Rassismus nahmen immer mehr zu. Daraus folgten nicht selten Gewalt und Aufstände.

Marcus Ventzke, Digitale Lernwelten

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Erklärung

Was hat der Nationalismus des 19. Jahrhunderts mit den Aus- und Eingewanderten zu tun?

Hugenotten, Russlanddeutsche, Donauschwaben – es ist immer der gleiche Mechanismus: Menschen machen sich auf der Suche nach besseren Lebensverhältnissen auf den Weg, weil sie gerufen werden. Herrscher geben ihnen die Möglichkeiten, sich in ihren Territorien niederzulassen. Dazu veröffentlichen sie meistens Einladungen, sogenannte Peuplierungspatente und richten mitunter ganze Verwaltungen ein, um die Niederlassung von Einwanderern zu unterstützen und zu kontrollieren.
Sehr oft setzen solche Bemühungen der Herrscher nach Eroberungen, Kriegen und Krankheitswellen ein. Eine Folge besteht sehr oft darin, dass weite Teile eines Landes menschenleer sind. Dann nennt man den Vorgang der Einwanderung und Neubesiedlung auch innere Kolonisation.

Marcus Ventzke, Digitale Lernwelten

Blumen am Solovetsky-Stein in Moskau am 28. August 2011, dem 70. Jahrestag der stalinistischen Deportation der Wolgadeutschen
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Urheber: Zac allan

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Das Bild oben zeigt die Blumen am Solovetsky-Stein in Moskau am 28. August 2011. Der Stein ist zum Gedenken an die Opfer der Stalin-Diktatur in Russland 1990 eingeweiht worden. Zum 70. Jahrestag der Deportation der Wolgadeutschen durch Stalins Befehl legten Menschen dort Blumen nieder.

4 Deutsche Siedler in Osteuropa und ihr Schicksal – Wofür stehen die Deutschen aus Russland?

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Viele Menschen aus dem Raum des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation gingen vor 1800 in andere Gegenden, die entweder zum Reich gehörten oder von Herrschern regiert wurden, die mehr oder weniger mit dem Reich verbunden waren. Sie taten genau das, was die Herrscher, die sie riefen oder schickten, von ihnen erwarteten. Sie ließen sich nieder, gründeten Siedlungen, stärkten die Wirtschaft, brachten neue Ideen und Ansichten in ihre neue Heimat mit. Das passierte oft schon seit dem Mittelalter.

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Rückzug von Rumänien nach Ungarn: rumänische und deutsche Soldaten mit Zivilbevölkerung auf Pferdefuhrwerken (Juni 1944)
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Urheber: Bundesarchiv, Bild 101I-244-2311-19 / Bauer

https://de.wikipedia.org/wiki/Donauschwaben#/media/Datei:Bundesarchiv_Bild_101I-244-2311-19,_R%C3%BCckzug_nach_Ungarn.jpg

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Deutsche und rumänische Soldaten mit flüchtender Zivilbevölkerung im Sommer 1944 auf dem Weg von Rumänien nach Ungarn.

Und so lebten in Gegenden, die heute beispielsweise zu Ungarn oder Rumänien, den Nachfolgestaaten der Sowjetunion oder des ehemaligen Jugoslawien gehören, viele deutsche Siedler. Sie gerieten in die Mühlen der nationalistisch und ideologisch begründeten Menschenverachtung des 20. Jahrhunderts. Viele verloren ihre Heimat, wurden vertrieben, ihres Besitzes beraubt, misshandelt, verschleppt oder umgebracht.

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Zur Flucht der Donauschwaben am Ende des Zweiten Weltkriegs

Verlust – Angst – Gewalt – Unsicherheit

Zur Flucht der Donauschwaben am Ende des Zweiten Weltkriegs kann man auch im Internet viele Informationen finden, zum Beispiel hier. Viele Menschen aber konnten oder wollten sich nicht auf den Weg machen, der Roten Armee zu entkommen. Sie wurden vielfach gedemütigt oder umgebracht, zehntausendfach zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt und kamen später in die Bundesrepublik Deutschland.

Marcus Ventzke, Digitale Lernwelten

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Auch das Schicksal der Russlanddeutschen ist sehr tragisch, allein schon durch die Länge ihrer Leidenszeit. Sie wurden seit dem späten 19. Jahrhundert immer wieder und immer mehr unterdrückt. Sie mussten über Jahrzehnte Gewalt und Leid ertragen, wurden als ganze Volksgruppe deportiert und hatten viele Opfer zu beklagen. Zur kollektiven Erinnerung der Russlanddeutschen gehört die fast vollständige Erduldung der mehr als 70-jährigen kommunistischen Diktatur in der Sowjetunion, die Bedrohung durch kommunistische und nationalsozialistische Gewalt während des Zweiten Weltkriegs und ein langes, fast aussichtsloses Hoffen auf die Verbesserung ihrer Lage. Und noch immer kehren Russlanddeutsche aus Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nach Deutschland zurück.

Um sie und ihr Schicksal soll es daher in den folgenden Kapiteln vor allem gehen.

Was die kollektive Erinnerung der Russlanddeutschen ausmacht

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Screenshot Internetauftritt des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte
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© Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold

https://www.russlanddeutsche.de/ru/

Arrc

Russlanddeutsche in der kollektiven Erinnerung

Die Russlanddeutschen vertrauten ebenfalls den Zusagen von Herrschern, u. a. eben denen der Zarin Katharina II. Nach den Regeln der Alten Welt machten sie alles richtig. Sie nahmen die Einladung an, sahen sich fortan als Untertanen der Zaren und bekamen die ihnen zusagten Privilegien. Sie besiedelten die zugewiesenen Gebiete und brachten die Wirtschaft zum Florieren.

Ihr Problem war, dass ihnen diese Geschäftsgrundlage im Laufe der Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts entzogen wurde. Immer mehr galten sie fortan als Fremde und Bedrohung, als Menschen, die sich als etwas Besseres fühlten, weil sie auf die Einhaltung der Privilegien hinwiesen. Diese Deutschen sprachen deutsch, waren keine orthodoxen Christen, kochten ihre eigenen Gerichte und lebten nach ihren eigenen Werten. Das alles wurde von russischen Nationalisten immer mehr als verdächtig betrachtet. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem die russlanddeutschen Männer als Soldaten des Zaren gekämpft hatten, erduldeten sie die Diktatur der Bolschewiki und später das brutale Gewaltregime Stalins. Sie bewahrten ihre Kultur, wo es ging, oft im Geheimen. Die Mehrheit kam nach dem Ende der Sowjetunion hunderttausendfach nach Deutschland zurück und heute sind die Deutschen aus Russland wieder ein wichtiger und aktiver Teil der deutschen Gesellschaft, bei allen Herausforderungen, die das Leben in der deutschen Gesellschaft der Gegenwart auch für sie bedeutet.

5 Zusammenfassung

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Auf dieser Seite ging die es um die Frage, warum die Ansiedlung von größeren Kolonistengruppen ein so häufig auftauchendes Phänomen in der deutschen Geschichte ist.

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Loyal zum Herrscher Donauschwaben Nationalismus
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Urheber: Johann Baptist Homann

https://de.wikipedia.org/wiki/Hugenottenkirche_(Erlangen)#/media/Datei:Erlangen_Hugenottenkirche_1721_001.JPG

PD

Neuansiedlung war ein recht einfacher Prozess: In der Alten Welt (bis ca. Ende 18. Jh.) waren Untertanen ihrem Herrscher verpflichtet. Neue Untertanen mussten also einfach einen Treueeid ablegen, dann war ihre 'Integration' abgeschlossen. Sprache, Kultur, Herkunft spielten keine so wichtige Rolle wie heute.

Zeichnung einer Ulmer Schachtel
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https://de.wikipedia.org/wiki/Ulmer_Schachtel#/media/Datei:Ulmer_Schachtel.png

PD

Die 'Donauschwaben' sind dafür ein gutes Beispiel: Die Habsburger Herrscher brauchten Kolonisten im entvölkerten ungarischen Teil ihres Reichs. Die angeworbenen Deutschen wollten eine Aussicht auf Wohlstand. Niemand erwartete, dass die Siedler dafür zu Ungarn werden sollten.  

Rückzug von Rumänien nach Ungarn: rumänische und deutsche Soldaten mit Zivilbevölkerung auf Pferdefuhrwerken (Juni 1944)
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Urheber: Bundesarchiv, Bild 101I-244-2311-19 / Bauer

https://de.wikipedia.org/wiki/Donauschwaben#/media/Datei:Bundesarchiv_Bild_101I-244-2311-19,_R%C3%BCckzug_nach_Ungarn.jpg

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Das änderte sich im 19. Jahrhundert. In der Vorstellung des Nationalismus leben in Ungarn Ungarn, in Russland Russen und in Deutschland Deutsche. Deutsche, die dauerhaft in Ungarn oder Russland leben wollten, mussten zu Ungarn oder Russen werden. Mit dem Aufkommen des Nationalismus begann der Druck auf nationale Minderheiten zu wachsen. Im 20. Jahrhundert mündete dieser Druck oft in Verfolgung und Vertreibung.

Loyal zum Herrscher Donauschwaben Nationalismus