Russlanddeutsche
sind Deutsche, die über einen sehr langen
Zeitraum in Russland gelebt haben. Dieser Umstand ist
erklärungsbedürftig und die drängendste Frage in diesem Zusammenhang
ist: Wie kamen so viele Deutsche überhaupt nach Russland?
2.1 Eine Einladung aus Russland
1 Vor 250 Jahren: Eine russische Einladung erreicht Deutschland
Die Auswanderung nach Russland betraf Menschen aus verschiedenen deutschen Gegenden. Sie reagierten auf Angebote des Zarenhofes, nach Russland zu kommen. Es brach ein regelrechtes Fieber aus, sich auf den Weg zu machen.
Die Geschichte der Russlanddeutschen begann am 22. Juli 1763. Russlands Herrscherin, die Zarin Katharina die Große, unterzeichnete ein Schriftstück. Es war eine Einladung: Katharina suchte Siedler aus anderen Ländern, die ins Russische Reich kommen und sich dort niederlassen sollten.
Damit diese Einladung auch Eindruck hinterließ und möglichst viele Siedler kamen, machte Katharina große Versprechungen: Alle Siedler sollten eine großzügige Fläche Land bekommen und sich selbst verwalten dürfen. Außerdem sollten sie von der Steuer und vom Militärdienst befreit sein und ihre Religion ungestört ausüben dürfen. Dieses Angebot war für viele Menschen sehr verlockend, schließlich waren Steuern häufig hoch, der Militärdienst lang und oft tödlich und Religionsfreiheit unüblich.
Heute würde man das vermutlich gutes Marketing nennen. Katharinas Einladung mit den vielen Versprechen wurde in halb Europa verbreitet und vor allem deutsche Bauern und Handwerker sollten diese Einladung annehmen.
Der Werbekampagne folgten in den nachfolgenden Jahren zehntausende Menschen. Im ersten Halbjahr des Jahres 1766 hielt sich zum Beispiel in Büdingen ein russischer Kommissar auf, der wahrscheinlich einige tausend Menschen dazu brachte, sich einem der Transporte anzuschließen, die nach Osten aufbrachen. Die Tatsache, dass Büdingen ein Sammelpunkt wurde, trug dazu bei, dass es allein in der Grafschaft Ysenburg-Büdingen zu einem merklichen Bevölkerungsschwund von etwa zehn Prozent kam.
Quelle
Erste Seite des Manifests der Kaiserin Katharina II.
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Erste Seite des Manifests der Kaiserin Katharina II.
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Auszüge aus Katharinas Manifest vom 22. Juli 1763
Quelle
Auszüge aus Katharinas Manifest vom 22. Juli 1763
Das Uns der weite Umfang der Länder Unseres Reiches zur Genüge bekannt, so nahmen Wir unter anderem wahr, daß keine geringe Zahl solcher Gegenden noch unbebaut liege, die mit vorteilhafter Bequemlichkeit zur Bevölkerung und Bewohnung des menschlichen Geschlechtes nutzbarlichst könnte angewendet werden [...]. [Also] Verstatten Wir allen Ausländern, in Unser Reich zu kommen, um sich in allen Gouvernements, wo es einem jeden gefällig, häuslich niederzulassen. [...] Gestatten Wir allen in Unser Reich ankommenden Ausländern unverhindert die freie Religions-Übung nach ihren Kirchen-Satzungen und Gebräuchen; [...] [auch] erteilen Wir die Freyheit, Kirchen und Glocken-Türme zu bauen und dabey nöthige Anzahl Priester und Kirchendiener zu unterhalten [...] [Es] Soll keiner unter solchen zur häuslichen Niederlassung nach Rußland gekommene Ausländer an unsere Cassa die geringsten Abgaben zu entrichten, und weder gewöhnliche oder außerordentliche Dienste zu leisten gezwungen, noch Einquartierung zu tragen verbunden, sondern mit einem Worte, es soll ein jeder von aller Steuer und Auflagen folgendermaßen frey sein [...]
Darstellung
Angebote aus dem Manifest an die Siedlungswilligen
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Angebote aus dem Manifest an die Siedlungswilligen
- Verteilung von Land zum Bau von Siedlungen und für die Landwirtschaft
- Möglichkeit, weiteres Land zu kaufen
- Selbstverwaltung
- keine Pflicht zum Kriegsdienst
- Recht, die eigene Religion ausüben zu können
- freie Gewerbeausübung
- Selbstbestimmung über kulturelle Fragen (Sprache, Bildung etc.)
- Befreiung von Steuerzahlungen bis zu 30 Jahre
- Freiheit, das Land verlassen zu dürfen
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Urheber: Institut für digitales Lernen
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Lesehinweis
Historienroman über das Manifest der Kaiserin Katharina und dessen Folgen
Lesehinweis
Historienroman über das Manifest der Kaiserin Katharina und dessen Folgen
Für Leute, die sich gern mit Geschichte befassen und Historienromane lesen:
Der Autor Victor Aul hat ein Buch über das Manifest und den Aufbruch
der Siedler an die Wolga im Jahr 1765 geschrieben. Es heißt: "Das
Manifest der Zarin".
Mehr Informationen gibt es u. a. hier: https://shop.lmdr.de/de/das-ma....
2 Warum lädt Katharina II. überhaupt ein?
Das Russische Reich hatte zu Beginn von Katharinas Regentschaft drei turbulente Jahrhunderte hinter sich. In zahlreichen Kriegen entwickelte sich das Großfürstentum Moskau von einer Regionalmacht zu einem der flächenmäßig größten Staaten der Welt. Während das Reich nach Westen und Süden hin durch Kriege erweitert wurde, wurde der Osten, vor allem Sibirien, rasend schnell kolonisiert. Schon um 1700 herum reichte das Russische Reich von der Ostsee bis an die Pazifikküste.
Dieses riesige Land war größtenteils nur sehr dünn besiedelt. Je weiter ein Landesteil von Moskau entfernt war, desto schwerer war er für die Zaren zu kontrollieren. Katharina II. wollte dieses Problem an der mittleren Wolga lösen. Das Gebiet um Saratow wurde immer wieder von kasachischen Reiternomaden überfallen und kaum wirtschaftlich genutzt. Außerdem wurde das Gebiet im sogenannten Russischen Bauernkrieg (1773–1775) zusätzlich verwüstet.
Katharina wollte dieses Gebiet wiederaufbauen lassen, es wirtschaftlich fördern und vor den Überfällen der Kasachen schützen. Dazu benötigte sie Siedler, die in das Gebiet ziehen und es neu erschließen.
Darstellung
Es gab schon Deutsche in Russland
Darstellung
Es gab schon Deutsche in Russland
Die deutschen Siedler waren nicht die ersten Deutschen, die nach Russland gezogen waren, um dort ihr Glück zu machen. Seit dem Mittelalter waren in mehreren russischen Städten deutsche Händler zu finden.
Und schon Katharinas Vorgänger, insbesondere Peter der Große (1642–1725), hatten deutsche Handwerker, Ärzte und andere Fachleute ins Land geholt. In Moskau gab es seit dem 16. Jahrhundert einen eigenen Stadtteil mit dem Namen 'Deutsche Vorstadt' (rus. 'Nemezkaja Sloboda'), wo man die ausländischen Gewerbetreiber angesiedelt hatte. 1725 lebten hier bereits 2.500 Deutsche.
Erklärung
Peuplierungspolitik
Erklärung
Peuplierungspolitik
Peuplierung kommt vom französischen Wort peuple (Volk, Bevölkerung). Peuplierungspolitik meint eine Politik, die die Vermehrung der Bevölkerung in einem Land oder einem bestimmten Teil eines Landes anstrebt.
Gerade nach den Verwüstungen von Kriegen, in denen nicht nur Soldaten, sondern auch viele Einwohner der Länder durch Hunger, Krankheiten und Gräueltaten ums Leben kamen, versuchten viele Herrscher, ihre entvölkerten Länder durch die Ansiedlung neuer Untertanen wirtschaftlich wieder zu beleben.
Die Rechnung war ganz einfach: Zu wenig Untertanen bedeuteten, dass Siedlungen verfielen, dass die Steuereinnahmen gering blieben und eine Entwicklung des Landes kaum stattfand. Damit blieben Länder schwach, woran die Herrscher natürlich kein Interesse hatten.
3 Zusammenfassung
In diesem Kapitel ging es um die Frage, warum sich so viele Deutsche im 18. Jahrhundert auf den Weg nach Russland machten.
Der Grund war eine Einladung, die die russische Zarin Katharina die Große 1763 schriftlich ausstellte. In ihr rief sie Siedler dazu auf, nach Russland zu kommen und dort unbewohntes Land zu besiedeln. Sie versprach viele Vorteile wie Steuerfreiheit, freie Religionsausübung und Befreiung vom Militärdienst.
Russland hatte durch Eroberung und Kolonisation viel neues Land hinzugewonnen. Es fehlten aber Menschen, um dieses Land zu besiedeln und es gegen räuberische Nachbarn zu verteidigen. Besonders im Süden des Russischen Reiches, an der unteren Wolga und der Schwarzmeerküste, sollten darum ausländische Kolonisten angesiedelt werden.
Peuplierung bedeutet, im Ausland Menschen zum Besiedeln des eigenen Landes anzuwerben. Die Arbeit dieser Menschen soll dann das eigene Land wirtschaftlich voranbringen. Eine solche Peuplierungspolitik wurde vor und nach Katharina immer wieder zur wirtschaftlichen Entwicklung eines unterbevölkerten Landes eingesetzt.