Auf dieser Seite erhält man eine kurze Einführung in die Geschichte der Russlanddeutschen und die Themen dieses Infoportals.
1 Die Geschichte der Russlanddeutschen: Volk auf dem Weg
2.1 Eine Einladung aus Russland
Auf dieser Seite geht es um die Frage, warum sich so viele Deutsche im 18. Jahrhundert auf den Weg nach Russland machten.
Der Grund war eine Einladung, die die russische Zarin Katharina die Große 1763 schriftlich ausstellte. In ihr rief sie Siedler dazu auf, nach Russland zu kommen und dort unbewohntes Land zu besiedeln. Sie versprach viele Vorteile wie Steuerfreiheit, freie Religionsausübung und Befreiung vom Militärdienst.
Russland hatte durch Eroberung und Kolonisation viel neues Land hinzugewonnen. Es fehlten aber Menschen, um dieses Land zu besiedeln und es gegen räuberische Nachbarn zu verteidigen. Besonders im Süden des Russischen Reiches, an der unteren Wolga und der Schwarzmeerküste, sollten darum ausländische Kolonisten angesiedelt werden.
'Peuplierung' bedeutet, im Ausland Menschen zum Besiedeln des eigenen Landes anzuwerben. Die Arbeit dieser Menschen soll dann das eigene Land wirtschaftlich voranbringen. Eine solche Peuplierungspolitik wurde vor und nach Katharina immer wieder zur wirtschaftlichen Entwicklung eines unterbevölkerten Landes eingesetzt.
2.2 Warum wollten die Hessen überhaupt weg?
Auf dieser Seite geht es um die Frage, warum es in Hessen vor 250 Jahren so viele ausreisewillige Menschen gab.
Von 1756 bis 1763 tobte der Siebenjährige Krieg in Europa. Auch Hessen war Kriegsschauplatz, vor allem im nördlichen Teil um Kassel wurden mehrere blutige Schlachten geschlagen.
Krieg ist für die bäuerliche Bevölkerung immer schlecht. Ihre Söhne werden eingezogen, ihre Lebensgrundlage wird geplündert oder requiriert und schlussendlich verlangen die Gutsherren dieselben Abgaben und die Bauern müssen sich verschulden, um diese leisten zu können.
Im 18. Jahrhundert galt im Heiligen Römischen Reich noch grundsätzlich die Pflicht, die Konfession seines Landesherren anzunehmen. Wer dies nicht wollte oder – wie die pazifistischen Mennoniten – gar grundsätzliche Pflichten wie den Militärdienst ablehnte, hatte ein Problem.
2.3 Die Jahre 1766/67: Die Auswanderer von Büdingen
Auf dieser Seite geht es um die Frage, warum gerade Büdingen zu einem Zentrum der Ausreise nach Russland wurde.
Die Isenburger Grafen regierten eine überbevölkerte und verschuldete Grafschaft. Einen Teil ihrer Untertanen nach Russland auswandern zu lassen, löste diese Probleme teilweise. Der Bevölkerungsdruck ließ nach und die Staatskasse konnte mit Sondersteuern, die von den Ausreisenden erhoben wurden, gefüllt werden.
Die im Auftrag der russischen Zarin arbeitenden Lokatoren konnten in Büdingen weitgehend ungestört arbeiten. Also wurden hier nicht nur viele Siedler angeworben, Büdingen wurde auch ein großes logistisches Zentrum für die Russlandfahrt. Ausreisewillige aus der Umgebung kamen hierher, um sich den Siedlerzügen anzuschließen.
Überbevölkerung und Überschuldung sind gute Voraussetzungen für Auswanderung. Das Land wirft nicht genug ab, um alle zu ernähren, der Staat kann nicht investieren, um die Lage zu verbessern. Damals wie heute suchen Menschen in so einer Situation oft ihr Glück in der Fremde.
3.1 Einwanderer nach Deutschland und deutsche Auswanderer
Auf dieser Seite geht die es um die Frage, warum die Ansiedlung von größeren Kolonistengruppen ein so häufig auftauchendes Phänomen in der deutschen Geschichte ist.
Neuansiedlung war ein recht einfacher Prozess: In der Alten Welt (bis ca. Ende 18. Jh.) waren Untertanen ihrem Herrscher verpflichtet. Neue Untertanen mussten also einfach einen Treueeid ablegen, dann war ihre 'Integration' abgeschlossen. Sprache, Kultur, Herkunft spielten keine so wichtige Rolle wie heute.
Die 'Donauschwaben' sind dafür ein gutes Beispiel: Die Habsburger Herrscher brauchten Kolonisten im entvölkerten ungarischen Teil ihres Reichs. Die angeworbenen Deutschen wollten eine Aussicht auf Wohlstand. Niemand erwartete, dass die Siedler dafür zu Ungarn werden sollten.
Das änderte sich im 19. Jahrhundert. In der Vorstellung des Nationalismus leben in Ungarn Ungarn, in Russland Russen und in Deutschland Deutsche. Deutsche, die dauerhaft in Ungarn oder Russland leben wollten, mussten zu Ungarn oder Russen werden. Mit dem Aufkommen des Nationalismus begann der Druck auf nationale Minderheiten zu wachsen, im 20. Jahrhundert mündete dieser Druck oft in Verfolgung und Vertreibung.
3.2 Weltkriege, Ideologien und Diktaturen
Auf dieser Seite geht es um die Frage, wie die totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts zur existenziellen Bedrohung der deutschen Minderheiten in Osteuropa wurden.
Der Nationalsozialismus und der Sowjetkommunismus beziehen sich beide auf nationalistische Vorstellungen. Beide streben eine Einheitlichkeit der Bevölkerung an, lehnen kulturelle/religiöse/sprachliche Sondergruppen ab und betrachten Gewalt als ein legitimes politisches Mittel.
Der Sowjetkommunismus führte schon früh zur kulturellen Unterdrückung deutscher Minderheiten. Eigene kulturelle oder religiöse Praktiken wurden verboten und durch von der Partei vorgegebene sozialistische Praktiken ersetzt. Die Deutschen sollten nicht Russen werden – sie sollten alle Kommunisten werden.
Der von den Nationalsozialisten begonnene 2. Weltkrieg machte die deutschen Minderheiten in Osteuropa zu Gegnern im Innern. Während des Krieges wurden sie verhaftet, interniert, deportiert und oft getötet. Nach dem Krieg blieben sie diskriminiert und wurden oft aktiv vertrieben.
4.1 Der lange Weg an die Wolga
Auf dieser Seite geht es um die Frage, wie die Kolonisten überhaupt in ihr Siedlungsgebiet kamen.
Zunächst reisten die Siedler auf dem Landweg nach Lübeck, von dort mit dem Schiff über die Ostsee in die russische Metropole Petersburg. Die Siedler wurden auf dieser Reise gut bewacht, damit sie nicht umdrehten oder sich frühzeitig z. B. in Petersburg niederließen.
Von Petersburg aus ging es auf dem Landweg an die obere Wolga und dann mit Flussbarken den Fluss hinunter zum Siedlungsgebiet im heutigen Oblast Saratow.
Im Siedlungsgebiet stellten die Kolonisten schnell fest, dass nicht alles so paradiesisch war, wie es ihnen beschrieben worden war. Die wilden Steppen und Wälder, harten Winter und räuberischen Nachbarn stellten die Siedler in ihren Anfangsjahren vor große Herausforderungen.
5.1 Der wirtschaftliche Aufstieg der deutschen Siedler
Auf dieser Seite geht es um die Frage nach den Gründen für den wirtschaftlichen Erfolg der deutschen Siedler.
Anfangs keine Steuern – dieses von Katharina gewährte Privileg führt dazu, dass die Deutschen von den Früchten ihrer Arbeit mehr behielten als ihre Nachbarn. Die Befreiung vom Militärdienst führte dazu, dass den Deutschen mehr Arbeitskraft zur Verfügung stand.
Die Deutschen organisierten ihre Siedlungen recht streng. Der von den Siedlern eingesetzte Dorfschulze wachte nicht nur über die Einhaltung der Gesetze, sondern auch darüber, dass sich alle fleißig und sittsam verhielten. Wer durch Trunksucht, Verschwendung oder Faulheit auffiel, bekam schnell Ärger.
Die Deutschen arbeiteten für sich und ihre Siedlung. Unternehmerische Erfolge waren ihre Erfolge und sie konnten davon ausgehen, dass ihre Kinder die Früchte ihrer harten Arbeit würden ernten können. Das machte die Siedler sehr engagiert, erfinderisch und unternehmerisch aktiv.
5.2 Arbeit – Kirche – Schule: Das Leben auf dem Dorf
Auf dieser Seite geht es um die Frage, wie das Leben in einem wolgadeutschen Dorf im 19. Jahrhundert aussah.
Auf dem Feld, in der Werkstatt, zu Hause – Arbeit machte den größten Teil des Dorflebens aus. Zu kaufen gab es wenig und selten, d. h. Lebensmittel mussten selbst angebaut werden, Möbel, Kleidung und Werkzeug oft selbst hergestellt und auf jeden Fall selbst repariert werden.
Die Kolonisten waren sehr gläubige Menschen, jedes Dorf besaß eine Kirche, die von Kolonisten gemeinsam errichtet und finanziert wurde. Die Kirche war sowohl für Glaubensfeste und Gottesdienste als auch für das festliche Dorfleben bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen von großer Wichtigkeit.
Die deutschen Siedlerkinder gingen alle zur Schule. Die Schulzeit lag im Winterhalbjahr, damit die Kinder im Sommer bei der Arbeit helfen konnten. Neben religiöser Erziehung wurde den Kindern lesen und schreiben (auf Deutsch) und Mathematik beigebracht.
5.3 Die Deutschen sollen Russen werden
Auf dieser Seite geht es um die Frage, wie der aufkeimende russische Nationalismus des 19. Jahrhunderts zum Problem für die Russlanddeutschen wurde.
Alexander II. wollte Russland in einen modernen Nationalstaat verwandeln. Er wollte die mittelalterlichen Verhältnisse im Land modernisieren und aus seinen Untertanen russische Staatsbürger machen. Die deutschen Siedler sahen sich aber nicht als Russen, sondern als deutsche Untertanen eines russischen Herrschers.
Die Russlanddeutschen sollten ab jetzt Russisch lernen und wie ihre Nachbarn beim russischen Militär dienen. An ihren Dorfschulen sollten staatlich gestellte Lehrer unterrichten. Die deutschen Siedler empfanden das als ungerecht, denn ihnen war Militärdienstbefreiung zugesichert worden, sie hatten ihre Schulen selbst organisiert und in ihren Dörfern sprachen sie nur deutsch.
Ende des 19. Jahrhunderts wanderten daher die ersten Deutschen aus ihren russischen Siedlungsgebieten wieder aus. Vor allem die pazifistischen Mennoniten flohen vor dem russischen Militärdienst. Ihr Ziel war häufig Nord- und Südamerika, aber auch Zentralasien.
6.1 Zwischen den Fronten – Russlanddeutsche im Ersten Weltkrieg
Auf dieser Seite geht es um die Frage, wie sich die Situation der Russlanddeutschen durch den Ersten Weltkrieg veränderte.
Mit Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und Russland kamen sofort Zweifel an der Loyalität der Russlanddeutschen für Russland auf. Diese meldeten sich aber in großer Zahl freiwillig und waren gewillt, ihre russische Heimat gegen Deutschland zu verteidigen.
Dass der Krieg für Russland schlecht lief, wurde auch den Russlanddeutschen zugeschrieben. Waren sie vielleicht Spione und Verräter, die insgeheim für den Feind arbeiteten? Die russische Regierung erließ daraufhin 'Liquidationsgesetze', um den Deutschen ihr Land wegzunehmen und sie in die östlichen Landesteile zu verschicken.
1917 brach die Zarenregierung zusammen und wurde erst von einer bürgerlichen Regierung abgelöst, dann kamen die revolutionären Bolschewiki. Die alten deutschenfeindlichen Gesetze wurden zurückgenommen und den Russlanddeutschen Gleichbehandlung und vielleicht sogar ein eigener Staat in Aussicht gestellt.
6.2 Auf dem Weg zur Wolgadeutschen Republik
Auf dieser Seite geht es um die Fragen, was die Wolgadeutsche Republik eigentlich war und wie sie entstand.
1918 entstand die Wolgadeutsche Arbeitskommune. Durch sie erhielten die Wolgadeutschen ein gewisses Maß an kultureller Eigenständigkeit (z. B. deutschsprachiger Unterricht) und Interessenvertretung (eigene Kommissare). Der Preis dafür war, dass die Kommune kommunistisch organisiert wurde und die Parteiführung in Moskau direkten Zugriff auf die Produktion der Kommune hatte.
Der russische Bürgerkrieg zwischen Bolschewiki und Zarentreuen und die mit ihm einhergehende Hungersnot traf auch die Arbeitskommune an der Wolga schwer. Sie verlor bis 1923 über 100.000 Einwohner durch Hungertod und Abwanderung.
1924 wurde die Arbeitskommune offiziell zur Wolgadeutschen Republik. Damit war sie ein eigener Staat mit eigener kommunistischer Räteregierung. ABER: Solche Staaten gab es in der Sowjetunion viele, keiner von ihnen konnte effektiv gegen den Willen der Moskauer Parteiführung Politik machen und viele der ihnen zugesicherten Rechte existierten nur auf dem Papier.
6.3 Kommunismus mit Gewalt – Stalins Landpolitik
Auf dieser Seite geht es um die Frage, wie sich die stalinistische Kollektivierungspolitik auf die Wolgadeutschen auswirkte.
Stalin wollte die Sowjetunion industrialisieren. Dafür brauchte er mehr Fabriken, mehr Arbeiter und für diese mehr Nahrung. Diese Nahrung sollte in den sowjetischen Dörfern erarbeitet werden, indem dort alles Land beschlagnahmt, von einer staatlichen Kolchose verwaltet und effizienter bearbeitet würde. In solchen Kolchosen sollten die sowjetischen Bauern arbeiten.
Der Plan schlug zunächst fehl. Die staatlichen Kolchosen waren nicht effizient, die Bauern waren unmotiviert, die Erträge brachen ein. Stalin machte dafür die 'Kulaken' (reiche Bauern) verantwortlich. Sie wurden enteignet, verhaftet, in Lager gesperrt und oft hingerichtet. Da unter den Russlanddeutschen viele reiche Bauern waren, waren sie auch besonders von diesen Maßnahmen betroffen.
Diese Maßnahmen verschlimmerten die Ernteausfälle aber noch. 1932/33 kam es zu einer entsetzlichen Hungersnot in Südrussland und der Ukraine. Diese Gebiete waren die ertragreichsten der Sowjetunion – dass hier Millionen Menschen verhungerten lag daran, dass Stalin trotz Hunger Getreide und Saatgut wegschaffen ließ, um es in die Industriestädte zu bringen und zu exportieren.
6.4 Der Große Terror und der Zweite Weltkrieg
Auf dieser Seite geht es darum, wie stalinistischer Terror und der Zweite Weltkrieg zum Ende der Wolgadeutschen Republik führten.
Stalin sah überall Feinde und Spione, mit der Machtübernahme Hitlers 1933 in Deutschland rückten die Russlanddeutschen aber besonders in sein Visier. Verhaftungen und Deportationen begannen schon früher, ab 1937 wurden völlig unschuldige Deutsche aber gezielt und in großer Zahl verhaftet und als Staatsfeinde hingerichtet.
Am 28. August 1941, zwei Monate nach der deutschen Kriegserklärung, erließ Stalin den Befehl, alle Deutschen aus dem europäischen Teil der Sowjetunion zu deportieren. Viele Hunderttausend Menschen wurden aus ihren Häusern geholt und mehrere Tausend Kilometer nach Osten gefahren. Die Wolgadeutsche Republik hörte auf zu existieren.
In Sibirien und Kasachstan wurden die deportierten Deutschen abgesetzt. Sie mussten sich größtenteils selber um ihr Unterkommen und Überleben kümmern. Die Behörden vor Ort stellten sie unter militärische Beobachtung und verpflichteten sie ab 1942 zur Zwangsarbeit in der Trudarmee.
6.5 Russlanddeutsche Sowjetbürger
Auf dieser Seite geht es um die Frage, wie sich das Leben der Russlanddeutschen in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte.
Die Deportationen wurden auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht rückgängig gemacht. Den Russlanddeutschen war es weiterhin verboten ihren Wohnort oder ihre Arbeit zu wechseln. Sie waren 'Sondersiedler' und blieben unter strenger militärischer Kontrolle ihrer Kommandanturen.
Nach dem Tod Stalins 1953 verbesserten sich die Verhältnisse unter dem Nachfolger Chruschtschow etwas. Die militärische Überwachung endete und die Russlanddeutschen durften ihre Siedlungen wieder verlassen, wenn auch nicht in ihre alten Gebiete zurückkehren. Kulturelles Leben wurde unter staatlicher Aufsicht möglich.
Bis in die 80er Jahre normalisierte sich das Leben der Russlanddeutschen unter sowjetischen Bedingungen. Das bedeutete, der Staat überwachte und kontrollierte weite Teile des politischen und kulturellen Lebens, die Russlanddeutschen wurden aber nicht mehr gezielt staatlich schikaniert.
6.6 Deutschland und die Russlanddeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg
Auf dieser Seite ging es um die Frage, ob und wie sich die Bundesrepublik und Hessen seit dem Zweiten Weltkrieg für die Russlanddeutschen engagiert haben.
Schon 1953 gewährte die Bundesrepublik im BVFG auch den Russlanddeutschen Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft und Unterstützungsprogrammen. Voraussetzung war aber, dass die Russlanddeutschen dafür nach Deutschland aussiedeln mussten, was ihnen die Sowjetunion jedoch nicht gestattete.
Die Bundeskanzler Adenauer und Brandt versuchten durch diplomatische Initiativen und Zugeständnisse an die Sowjetunion, die Lage der Russlanddeutschen dort zu verbessern und ihre Ausreise zu erleichtern.
Das Bundesland Hessen hat durch verschiedene politische Maßnahmen in den letzten Jahrzehnten die Interessen und Probleme Russlanddeutscher sichtbar und vertretbar gemacht und ihnen auf mehreren Wegen Hilfen und Unterstützung organisiert.
7.1 Die Sowjetunion reformiert sich – Ist das gut für die Russlanddeutschen?
Auf dieser Seite geht es um die Frage, welche Auswirkungen die Veränderungen, die in der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre stattfanden, auf die Russlanddeutschen hatten.
1985 kam in der Sowjetunion Michale Gorbatschow an die Macht. Er begann eine Reihe von Reformen, die die SU zu einem freieren und offeneren Staat machen sollten. Viele Russlanddeutschen hofften, dass es in diesem Staat möglich sein würde, wieder in die alten Siedlungsgebiete an der Wolga zurückzukehren und dort erneut ein gewisses Maß an Autonomie zu erhalten.
Die sowjetische Führung wollte den Russlanddeutschen aus unterschiedlichen Gründen keine Autonomie an der Wolga geben. Zudem zerfiel die Sowjetunion und löste sich 1991 in mehrere Einzelstaaten auf. Die Russlanddeutschen lebten nun in einer chaotischen Übergangsphase, verteilt auf verschiedene Einzelstaaten, die sich für ihre Probleme nicht zuständig fühlten.
Gleichzeitig vollzog sich in Deutschland die Wiedervereinigung – die DDR wurde Teil der BRD. Die BRD versuchte einerseits mit verschiedenen Initiativen das russlanddeutsche Leben in den Nachfolgestaaten der SU zu stärken, andererseits sollte auch den ausreisewilligen Russlanddeutschen eine Rückkehr nach Deutschland ermöglicht werden.
7.2 Aussiedlung nach Deutschland und weitere Alternativen
Auf dieser Seite geht es um die Frage, was die Russlanddeutschen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion taten.
Der überwiegende Teil der Russlanddeutschen entschied sich, die neuen Freiheiten zu nutzen, um sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Ab 1990 stieg die russlanddeutsche Einwanderung in die BRD auf über 100.000 pro Jahr an, bis 1997 reisten 1,3 Millionen aus.
Einerseits versuchte die BRD, die Einreise von Russlanddeutschen zu erleichtern. Sie bekamen erleichterten Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft und man versuchte, die (oft geringen) Deutschkenntnisse der Spätaussiedler zu fördern. Andererseits sollten auch die in Russland zurückbleibenden Russlanddeutschen unterstützt werden.
Als Ersatz für die verlorene Wolgarepublik wurde in Westsibirien Nationale Rayons (Landkreise) für die dort lebenden Russlanddeutschen eingerichtet. Hier wurden mit deutscher finanzieller Unterstützung verschiedene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Projekte aufgebaut.
8.1 Ich sein – Deutsch sein
Auf dieser Seite geht es um die Frage, was das Besondere an russlanddeutscher Identität ist bzw. sein könnte.
Heimat ist für viele ein wichtiger Teil ihrer Identität. Für Russlanddeutsche ist dieser Teil ihrer Identität oft schwer zu benennen, weil sie mehreren Orten gegenüber heimatliche Gefühle hegen. Dieser Umstand kann aber, wenn er selbstbewusst angenommen wird, vielmehr Stärke sein als Defizit.
Das Verhältnis Russlanddeutscher zu Deutschland ist bisweilen geprägt von alten, in Russland konservierten Vorstellungen von Deutschland. Russlanddeutsche (und ihre Vorfahren) waren nicht vor Ort, um mitzuerleben, wie sich Deutschland zu dem Land entwickelte, das es heute ist. Insofern haben Russlanddeutsche manchmal eine anders geprägte Sicht auf das Deutschland im 21. Jahrhundert.
Russlanddeutsche bringen ihre eigenen Geschichten in die Geschichten der deutschen Gesellschaft mit ein. Diese Geschichten sind für andere Deutsche oft neu und passen manchmal nicht zu den Großerzählungen, auf die sich die deutsche Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten geeinigt hat. Letztlich fügen die Russlanddeutschen der deutschen Geschichte damit aber nur einen notwendigen und relevanten Aspekt hinzu.
8.2 Was ist eigentlich dieses Deutschland?
Auf dieser Seite geht es um die Frage, wie man Deutschland heute eigentlich beschreiben kann bzw. was nationale Identität eigentlich ausmacht.
Deutschland ist heute eine freiheitliche Demokratie, ein Land, das von Wahlen, Parlamenten und vielfachen Mitbestimmungsmöglichkeiten geprägt ist. Unterschiedliche Positionen und Interessen sowie die daraus mitunter entstehenden Konflikte können öffentlich ausgedrückt werden. Zur letztendlichen Entscheidung kann man Gerichte anrufen, die unabhängig urteilen.
Deutsch zu sein und sich als deutsch zu empfinden hängt nicht nur an der Staatsbürgerschaft. Es geht dabei um Fragen, ob man die Sprache beherrscht, sich für das Land interessiert und dort wohlfühlt. Und es geht darum, ob einen andere Deutsche als deutsch ansehen oder einem ständig das Gefühl geben, nicht wirklich deutsch zu sein.
Nationale und regionale Identität macht sich aber vielleicht am stärksten an Dingen wie Essen, Dialekt (also Sprache) und Erinnerungen fest. Menschen, die mit denselben Gerichten oder Dialektworten aufgewachsen sind, fühlen sich gerade deshalb oft besonders verbunden.
8.3 Mitmachen am Gemeinsamen
Auf dieser Seite geht es um die Frage, was es eigentlich bedeutet Teil der deutschen Gesellschaft zu sein und in dieser 'mitzumachen'.
Diese deutsche Gesellschaft besteht nicht aus Untertanen, sondern aus Bürgern. Und Bürger sind frei, selbst zu handeln und zu denken. Das ist nicht immer angenehm und man gewinnt dabei auch nicht immer nur Freunde, aber man gestaltet sein Leben sinnvoll. Die Entscheidung, selbst zu handeln, kann und sollte in Deutschland jeder für sich treffen.
Auch wenn in Deutschland niemand gezwungen wird, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, ist es doch für eine lebendige und funktionierende Gesellschaft notwendig, dass möglichst viele Menschen mit ihren Meinungen und Fähigkeiten am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Gesellschaftliches Engagement spielt sich auf vielen Ebenen ab. Ob in zivilgesellschaftlichen Vereinen, in einer Bildungseinrichtung, im Sportverein oder als Unternehmer. Wer sich engagieren will, hat nicht nur viele Möglichkeiten, sondern auch viele Vereine und Institutionen, die ihm dabei helfen.
8.4 Integration ins Eigene
Auf dieser Seite ging es um die Frage, was Integration eigentlich bedeutet und wie es um die Integration Russlanddeutscher steht.
Bei Integration geht es um das Beseitigen von Schwierigkeiten, um die Erhöhung von Teilhabe und die Erweiterung von Lebenschancen. Das Ziel von Integration besteht zusammengefasst darin, dass alle Menschen in einer Gesellschaft ohne ständige grundlegende Konflikte miteinander auskommen. Wenn Integration gelingen soll, sind daran immer beide Seiten beteiligt: die Menschen, die sich integrieren, und diejenigen aus der bestehenden Gesellschaft, die sie aufnehmen.
Es gibt verschiedene Probleme, die die Integration Russlanddeutscher erschweren: z. B. Nichtanerkennung von Berufsabschlüssen, mangelhafte Rentenzahlungen und Schwierigkeiten bei der Rentenangleichung, fehlende Angebote für Hilfe beim Umgang mit Ämtern und Amtsformularen oder mangelnde Angebote für politische und kulturelle Bildungsarbeit.
Es gibt in Deutschland sowohl von staatlicher Seite als auch von russlanddeutschen Organisationen verschiedenen Hilfsangebote zur Integration. Diese können auch als 'nachholende Integration' von Menschen wahrgenommen werden, die schon jahrelang in Deutschland wohnen.
8.5 Propaganda verstehen
Auf dieser Seite ging es um die Frage, wie Propaganda funktioniert und wie sie heute eingesetzt wird.
Propaganda will v. a. Realitäten vereinfachen und verzerren, die Meinungen von Menschen beeinflussen, Verwirrung stiften sowie Hass und Misstrauen verbreiten.
Die Mittel der Propaganda sind u. a. falsche Informationen verbreiten, offen lügen, abstreiten, einzelne Tatsachen überbewerten und andere Informationen verschweigen. In filmischen Darstellungen nutzt Propaganda oft Einstellungen, Licht und Ton für ihre Absichten.
Der 'Fall Lisa' ist ein heutiges Beispiel, wie Regierungspropaganda durch Verkürzungen, Lügen und Verzerrungen versucht, Stimmungen zu erzeugen und die Meinungen von Menschen zu beeinflussen.
8.6 Heimat: Hier und heute selbst erleben und gestalten
Auf dieser Seite ging es um die Frage, ob und wie man sich Heimat durch künstlerischen Ausdruck selbst schaffen und erarbeiten kann.
Heimat wird nicht nur durch Vergangenes geprägt. Heimat kann auch durch Auseinandersetzung mit der eigenen Gegenwart entstehen. Dafür muss man offen sein und offen bleiben, man muss die eigenen Gefühle – Sehnsucht, Verwirrung, Trauer, Enttäuschung, Wut – zulassen und einen Ausdruck für sie finden.
Kunst eignet sich sehr gut für diese Auseinandersetzung. Literatur, Musik und Malerei sind klassische Mittel mit den eigenen Gefühlen konstruktiv umzugehen und sie seiner Umwelt mitzuteilen.
Die vielen, oft widersprüchlichen Gefühle, die Russlanddeutsche ihren verschiedenen Heimaten entgegenbringen, sind wahrscheinlich eine Erklärung für die große Anzahl an russlanddeutschen Künstlern.
9.1 Fragen nach Heimat, Zugehörigkeit und Identität
Auf dieser Seite ging es um die Frage, was Heimat eigentlich bedeutet und wie sie empfunden werden kann.
Für viele Menschen ist Heimat der Ort an dem sie aufgewachsen sind und zu dem sie viele positive Erinnerungen haben. Das kann z. B. das Elternhaus oder das Viertel sein, in der man aufwuchs.
Menschen, die zeit ihres Lebens an einen neuen Ort ziehen, können heimatliche Gefühle mehreren Orten gegenüber haben. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie auch am neuen Ort positive Erfahrungen machen.
Heimatliche Gefühle können aber nicht nur von Orten, sondern auch von einem Essen, Gerüchen, Liedern oder einem bestimmten Dialekt ausgelöst werden.
9.2 Aussiedler und Spätaussiedler – Begriffe und Rechtsgrundlagen
Auf dieser Seite es um die Frage, was die Begriffe Aussiedler und Spätaussiedler bedeuten.
Es gab und gibt eine große Menge an Personen, die nicht in Deutschland leben, eine andere Staatsbürgerschaft besitzen und gleichzeitig nach deutscher Rechtsauffassung die 'deutsche Volkszugehörigkeit' besitzen – also Deutsche sind.
Diese Deutschen im Ausland galten bis 1993 als 'Aussiedler'. Dann wurden sie durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz zu Spätaussiedlern. Das wichtige gemeinsame Merkmal war nun, dass alle Betroffenen durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen unterdrückt und verfolgt worden waren.
Um als (Spät-)Aussiedler anerkannt zu werden, müssen die Betroffenen ein längeres Verfahren in ihrem Aussiedlungsland und in der Bundesrepublik durchlaufen. In diesem müssen sie sowohl ihre deutsche Volkszugehörigkeit als auch die erlittene Benachteiligung nachweisen.