Die Geschichte der Russlanddeutschen ist im historischen Gedächtnis Deutschlands und darüber hinaus fest verankert. Das Schicksal der Deutschen aus Russland steht nahezu exemplarisch für all die Gewalt, die Kriege und Grausamkeiten, die das 20. Jahrhundert so erschüttert haben. Die Diktaturen Hitlers und Stalins zerrissenen die gewachsenen nationalen und kulturellen Strukturen in weiten Teilen Europas.
Die Russlanddeutschen gerieten mitten in diesen Strudel der Unmenschlichkeit. Die lange UnterdrĂĽckung ihrer Kultur, der Terror, dem sie in der Sowjetunion ausgesetzt waren, die Deportation aus ihren Siedlungsgebieten und ihre Knechtung in der Zwangsarbeit stehen dafĂĽr, wozu menschenverachtende Diktaturen und Ideologien im Stande sind.
Im Jahr 2021 jährt sich die Massendeportation der Deutschen in der Sowjetunion und die Auflösung der Wolgadeutschen Republik zum 80. Mal. Ein bitterer Jahrestag. Noch immer leiden viele Menschen unter diesem Akt der Unmenschlichkeit.
Noch immer kann man diese oftmals hoch
betagten Menschen und ihre Angehörigen, die seit den späten 1980er
Jahren nach Deutschland gekommen sind, danach fragen, was sie erlebt
haben und wie sich das Erlebte auf ihr nachfolgendes Leben ausgewirkt
hat – auch als der Zweite Weltkrieg beendet und Stalin schon lange nicht
mehr am Leben war.
Die Vergangenheit kann lange Zeit tiefgreifende und ganz persönliche Folgen für die Betroffenen haben, etwa wenn
- in der Sowjetunion Ausbildung und Studium verweigert oder behindert wurden,
- eine freie Entfaltung lange nicht möglich war, weil die deutsche Sprache nur privat gesprochen werden durfte, es keine deutschsprachigen Bücher oder Kultureinrichtungen gab,
- man immer wieder als Mensch zweiter Klasse behandelt wurde,
- die RĂĽckkehrer nach Deutschland oftmals nur unzureichende Integrationshilfen bekamen, weil sie ja Deutsche waren oder
- sie Einschränkungen der Rentenleistungen ertragen mussten.
In einer demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft ist es
wichtig, sich diesen Erfahrungen zuzuwenden, den Menschen aufmerksam
zuzuhören, solidarisch zu sein und vor allem den Wert garantierter
Menschen- und Bürgerrechte zu schätzen. Der Zweite Weltkrieg mit seinen
Flüchtlingsströmen liegt lange hinter uns. Inzwischen herrscht in
Deutschland und Mitteleuropa seit mehr als 75 Jahren Frieden. Umso
wichtiger ist es, Geschichten wie die der Russlanddeutschen wach zu
halten, um die Auseinandersetzung mit ihnen zu ermöglichen.