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7.1 Die Sowjetunion reformiert sich – Ist das gut für die Russlanddeutschen?
§PDBYSA
Was machen die Russlanddeutschen nun in all den frisch geschlüpften Nachfolgestaaten der UdSSR?
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Ende der 1980er
Jahre veränderte sich die Sowjetunion mit rasantem Tempo. Michail
Gorbatschow, seit 1985 Generalsekretär des ZK der KPdSU, betrieb die
Politik von Glasnost und Perestroika. Dadurch begann die erstarrte
kommunistische Diktatur aufzubrechen. In der Sowjetunion schienen
plötzlich Dinge möglich, die kurz vorher noch völlig unmöglich gewesen
waren: Diskussionen über Missstände, Versorgungsmängel oder die weit
verbreitete Alkoholsucht. Gleichzeitig löst diese Reformpolitik auch
eine große Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung aus. Und
tatsächlich sollte die Sowjetunion wenige Jahre später nicht mehr
existieren. Was bedeutete das für die Russlanddeutschen? Würden die neuen Freiheiten ihnen eine bessere Zukunft ermöglichen oder die Unsicherheit
eher zu einer Verschlechterung der Lage führen?
1 Autonomie oder keine Autonomie?
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Nachdem Michail Gorbatschow im Jahr 1985 Generalsekretär der KPdSU und
damit der wichtigste politische Staatsmann der Sowjetunion geworden
war, begann er eine Reformpolitik, um das Land zu modernisieren und zu
demokratisieren. Sein Konzept für diese Politik nannte er Glasnost
(Offenheit) und Perestroika (Umbau/Umgestaltung). Es entstand eine
Öffentlichkeit für politische Fragen, die Medien berichteten freier – auch über die Verbrechen der kommunistischen Herrscher der
Vergangenheit.
Vertreter der russlanddeutschen Gruppe „Wiedergeburt“ in Moskau 1989 – Die Gruppe setzte sich für eine Wiederherstellung der Wolgadeutschen Republik ein.
Die offenere Debatte über Fehler und Verbrechen der Vergangenheit berührte das Schicksal der Russlanddeutschen. Ihre Vertreter begannen Verhandlungen mit den Moskauer Machthabern über die Wiederherstellung der 1941 aufgelösten Wolgadeutschen Republik sowie die Wiederherstellung der kulturellen Einrichtungen der Russlanddeutschen.
In der russisch dominierten Mehrheitsgesellschaft der Sowjetunion fanden solche Forderungen der Russlanddeutschen jedoch keine ernsthafte Unterstützung. Lokale und regionale Partei- und Verwaltungsfunktionäre wandten sich offen gegen solche Forderungen, besonders im Wolga-Gebiet. Obwohl die Nationalitätenkammer des Obersten Sowjets Ende 1989 die Forderungen der russlanddeutschen Vertreter unterstützte, wurden sie nie umgesetzt.
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Darstellung
Eine neue Nationalitätenpolitik in der späten Sowjetunion?
Formal war die Sowjetunion aus vielen Teilrepubliken und nationalen
Gruppen gebildet. Schon das vorrevolutionäre Russland war ein
Vielvölkerstaat gewesen – auch eine Folge der Expansionen und Kriege,
die das Reich über Jahrhunderte vergrößert hatten. Schon nach der
Revolution von 1917 war daher die Frage, wie man mit den Nationalitäten
umgehen sollte, sehr wichtig gewesen. Lenin und Stalin betrieben anfangs
eine Nationalitätenpolitik, die angeblich mehr Freiheiten und Raum für
kulturelle Eigenarten lassen sollte. Praktisch aber beherrschten die
Doktrin vom Sozialismus und die allgegenwärtigen Strukturen von Partei
und Staat alles. Der Widerwillen gegen die andauernde Unterdrückung
nationaler Selbstbestimmungswünsche und Kulturen blieb daher erhalten
und bildete eine der Grundspannungen in der Sowjetunion. Gerade auch
die Menschen, die etwa im Laufe des Zweiten Weltkriegs in die
Sowjetunion gezwungen worden waren, zum Beispiel die Balten, hatten sich
nie damit abgefunden, „Sowjetbürger“ zu sein. Die Massenverbrechen
gegen bestimmte Volksgruppen, die Deportationen, Enteignungen und
unterdrückenden Zwänge, die sich keineswegs nur gegen die
Russlanddeutschen gerichtet hatten, sondern z. B. auch gegen Krimtataren
oder Tschetschenen, waren nie aufgearbeitet, ja überhaupt nur
öffentlich angesprochen worden. Durch die Lockerungen in der
Gorbatschow-Zeit brachen daher auch die Debatten über nationale
Eigenständigkeiten wieder auf. Gorbatschow versuchte, ein
Auseinanderfallen der UdSSR zu verhindern. Ein neuer Unionsvertrag wurde
verhandelt. Die Republiken stimmten einem neuen Vertrag nach langen
Debatten schließlich auch zu. Dieser sah die Schaffung einer Föderation
mit einigen zentralen Kompetenzen (u. a. Außen- und Militärpolitik) vor.
Infolge der Ereignisse um den Putschversuch gegen Gorbatschow im Sommer
1991 wurde er jedoch nicht mehr unterzeichnet. Die Sowjetunion löste sich nach dem gescheiterten Putsch in rasantem Tempo auf.
„Deutsche sollen in Deutschland leben!“ Ein Fernsehbericht über die Stimmungen gegenüber den Russlanddeutschen am Ende der Sowjetunion. [05.09.2020]
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Quelle
Gespräch einer russlanddeutschen Delegation mit einem sowjetischen Funktionär, 1988
August Voss [Vorsitzender des Rates der Nationalitäten, höherer sowjetischer Politiker]:
Ich als Vorsitzender des Nationalitätenrates entscheide diese Frage
nicht direkt. Da ihr an den Obersten Sowjet und an meinen Namen
geschrieben habt, wurde mir aufgetragen, euch zu empfangen und
anzuhören, was ich auch getan habe. Eure Argumente sind überzeugend
[...]. In Bezug auf die Wiederherstellung der Autonomie: Früher, vor der Perestroika widmete natürlich niemand dieser Frage Aufmerksamkeit, [...]. Jetzt aber wird diese Frage auf aufmerksame Weise geprüft.
Zwischenruf (aus der russlanddeutschen Delegation): August Eduardowitsch, verzeihen Sie uns. Es ist aber so, dass wir dies bereits mehrmals gehört haben.
Zwischenruf: Seit 1965.
Zwischenruf: Es wird geprüft und immer wieder geprüft, aber nichts entschieden. Seit 1965 sind keine konkreten Schritte erfolgt.
Voss: [...] Die Regierung und das Zentralkomitee
haben beide Hände voll zu tun angesichts der Perestroika, der
ökonomischen und politischen Reform. Wir sind noch nicht so weit. Man
muss das alles selbstverständlich klären und ordnen.
Andrej Hartung (Mitglied der Delegation): Wir wollen, dass Moskau lautstark erklärt, dass die Frage auf der Tagesordnung steht.
Voss: Wir überlegen, in welcher Form wir das tun
können. Ich sage euch gleich, dass man informiert werden muss, sowohl
die sowjetischen Deutschen als auch andere Nationalitäten müssen davon
wissen.
Zwischenruf: Es ist wichtig, dass sie bereits morgen darüber Bescheid wissen.
Eleonora Heldt (Mitglied der Delegation): Es ist
wichtig, dass die Medien mitteilen: Die Deutschen sind nach Moskau
gekommen zum Anlass der Schaffung ihrer Republik und dass diese Frage
auf höchster Ebene erörtert wird.
Voss: Es ist wichtig, den Medien eine derartige
Empfehlung zukommen zu lassen. Hier gibt es verschiedene Formen: Im
Rundfunk, im Fernsehen, in Zeitungen.
Zwischenruf: Unsere Frage geht in den Redaktionen spurlos unter. [...] Haben Sie keine Kompetenz, den Zeitungen Instruktionen zu geben?
Voss: Ich habe Kompetenzen, die Frage zu stellen. [...] Alles, was Sie gesagt haben, ist richtig, und Sie haben gut argumentiert.
Zwischenruf: Sie persönlich, als Kommunist, wie verhalten Sie sich zu dieser Frage: Braucht man Autonomie oder nicht?
Voss: Na, zunächst bin ich wenig informiert. [...]
Ich habe mich mit eurer Frage speziell nicht beschäftigt. Aber so, wie
ihr sprecht, meine ich, ihr stellt die Frage richtig...
Autonomie: Selbstständigkeit – Die
Russlanddeutschen forderten nicht nur eine Rückkehr an die Wolga,
sondern auch die Wiedererrichtung einer ‚Autonomen Sowjetrepublik der
Wolgadeutschen‘, also eines wolgadeutschen Staates als Teil der
Sowjetunion, wie sie ihn von 1918–1941 schon einmal gehabt hatten. Perestroika:
Umbau, Umgestaltung – Sammelbegriff für die Reformpolitik, die
Gorbatschow 1986 begonnen hatte, um die Sowjetunion wirtschaftlich und
politisch zu liberalisieren und zu modernisieren.
7
Darstellung
Die Probleme der sowjetischen Führung mit einer russlanddeutschen Autonomie an der Wolga
Die Sowjetunion hatte mit der Forderung der Russlanddeutschen, an die
Wolga zurückzukehren, zwei große Probleme. Zum einen lebten an der
Wolga in den alten russlanddeutschen Siedlungsgebieten mittlerweile
andere Menschen, vor allem Russen und Ukrainer, die während des Zweiten
Weltkrieges dort angesiedelt worden waren. Bei diesen Menschen stieß die
Aussicht, massenhaft Russlanddeutsche könnten bald zurückkehren, auf
Ablehnung und Angst. Würden die Rückkehrer denn ihrerseits ihnen nicht
Wohnungen und Arbeitsplätze wegnehmen?
Zum anderen erlebte die Sowjetunion Ende der 80er Jahre eine Welle von nationalen Unabhängigkeitsbewegungen. Balten, Tataren,
Georgier u. a. forderten eigene Staaten und Unabhängigkeit von der
Sowjetunion. Hätte man den Forderungen der Russlanddeutschen
nachgegeben, hätten alle anderen das als Signal verstanden und umso
heftiger auf ihr Recht auf Selbstständigkeit und Unabhängigkeit
bestanden.
PDBYSAIn den späten 80er Jahren bildeten sich in der Sowjetunion mehrere Unabhängigkeitsbewegungen. Das Bild zeigt ein Plakat der litauischen Bewegung. ‚Taip‘ (litauisch: ‚Ja‘) ist in den litauischen Nationalfarben, ‚Ne!‘ (‚Nein!‘) in sowjetischem Rot gedruckt.§
PDBYSAIn Litauen kam es dann im Januar 1991 noch zu blutigen Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion. Am ‚Vilniuser Blutsonntag‘ am 13.1.1991 schlugen sowjetische Truppen Demonstrationen in der litauischen Hauptstadt gewaltsam nieder und beschossen den Fernsehturm. Es starben 14 Menschen. Das Foto zeigt Barrikaden, die von Litauern zur Verteidigung des Parlaments errichtet wurden.§
Cc3BYSAAuch die Krimtataren forderten ihre eigene autonome Republik. Wie die Russlanddeutschen waren sie von Stalin 1941 aus ihrem alten Siedlungsgebiet auf der Halbinsel Krim deportiert worden und wollten nun dorthin zurückkehren. Das Foto zeigt eine Demonstration der Krimtataren am 18.3.2014 in Kiew, mit welcher sie an die Deportation erinnern.
2 Die Auflösung der Sowjetunion und die Folgen
8
§
Urheber: http://www.kremlin.ru/ | Presidential Press and Information Office
Der neue mächtige Mann in Russland: Nach Ende der Sowjetunion wurde Boris Jelzin russischer Präsident.
Nach 1990 begann die Sowjetunion sich aufzulösen. Im Inneren verlor
die Kommunistische Partei ihre diktatorische Macht. Zudem lösten sich
immer mehr Teilrepubliken von der Sowjetunion ab und erklärten ihre
staatliche Unabhängigkeit. Im August 1991 erklärten zum Beispiel die
Ukraine, Weißrussland, Moldawien und Kirgisistan ihre staatliche
Eigenständigkeit. Nachdem auch Russland selbst sich am Jahresende 1991
aus dem Staatsgebilde der UdSSR gelöst hatte, hörte die Sowjetunion auf
zu existieren.
Die Auflösung der Sowjetunion, in der Russland und die Russen immer
dominiert hatten, hatte positive und negative Folgen für das Leben der
Russlanddeutschen. Einerseits konnten sie sich jetzt frei organisieren
und in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen, etwa durch Zeitungen und im
Fernsehen. Auch der Pflege ihrer Kultur stand nun keine Ideologie mehr
im Wege. Andererseits waren sie nun Angehörige mehrerer unabhängiger
Staaten, die erklärten, für ihr Schicksal und ihre Wünsche nicht
zuständig zu sein. In der Ukraine konnte zum Beispiel ein Verein mit dem
Namen „Russlanddeutsche“ von der Regierung nicht anerkannt werden. Der
Grund dafür war sehr einfach: Nach der Unabhängigkeit legten die neuen
Staaten großen Wert darauf, nicht mehr als russisch bezeichnet zu
werden. Außerdem wollten sie mit staatenübergreifenden Problemen der
alten Sowjetunion nicht mehr konfrontiert werden. In ihrer Sicht konnte
es deshalb Russlanddeutsche auch nur noch in Russland geben.
Überreste einer Supermacht: Das Foto zeigt einen Umzugskarton, in den
Überbleibsel aus der sowjetischen Garnison in Chemnitz gepackt wurden,
es stammt aus den frühen 90er Jahren.
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Darstellung
Was war die Sowjetunion eigentlich für ein Staat
Die Sowjetunion hieß eigentlich mit vollem Namen ‚Union der
sozialistischen Sowjetrepubliken‘. Dieser Name weist bereits darauf hin,
dass es sich bei diesem Staat um einen Zusammenschluss (eine Union)
mehrerer Teilstaaten handelte. Der wichtigste und größte dieser
Teilstaaten war die Russische Sowjetrepublik, zusätzlich zu ihr gab es
aber noch 13 weitere Sowjetrepubliken (z. B. die heutige Ukraine und
Kasachstan). Diese Republiken hatten alle ihre eigene Regierung,
zusätzlich dazu aber auch eine Zentralregierung der Union mit Sitz in
Moskau. Grundsätzlich ist das System mit dem der BRD zu vergleichen, in
dem es 16 Bundesländern mit eigenen Parlamenten und Regierungen
(Landtage und Landesregierungen) gibt und ein Bundestag und eine
Bundesregierung in Berlin. Allerdings gibt es zwei große Unterschiede:
Das System der Sowjetunion war nicht demokratisch organisiert.
Die einzelnen Regierungen waren nicht wirklich gewählt und die
Regierungen der Teilrepubliken waren abhängig von der Zentralregierung
in Moskau (und damit von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion
KPdSU). Gegen deren Willen konnte in den Republiken keine unabhängige
Politik gemacht werden. Wichtige Fragen der Wirtschafts-, Innen- und
Außenpolitik einzelner Republiken wurden letztlich immer in Moskau
entschieden.
Die Teilrepubliken waren nur offiziell
gleichberechtigt. Tatsächlich wurden sie von der größten und wichtigsten
Republik, der Russischen Sowjetrepublik, dominiert. Diese umfasste mehr
als 75 % der Gesamtfläche und beheimatete mehr als die Hälfte der
Gesamtbevölkerung der Sowjetunion (zum Vergleich: In
Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, leben etwa 20 %
der Einwohner der BRD).
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Alle gefärbten Flächen zusammen bildeten die Sowjetunion. Jede einzelne Fläche war eine Teilrepublik der Union (siehe Darstellung, Element 11). In den frühen 90er Jahren erklärten dann alle diese Republiken ihre Unabhängigkeit voneinander.
Ein kurzes Erklärungsvideo zum Zerfall der Sowjetunion. [24.01.2017]
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Übersicht
Unterschiedliche Vorstellungen in den Verbänden der Russlanddeutschen über die Zukunft (1989–1991)
Name des Verbands
Gründungsjahr
Forderungen
Allunionsgesellschaft der Sowjetdeutschen 'Wiedergeburt' für Politik, Kultur und Bildung
1989
Wiederherstellung der Wolgarepublik oder anderer autonomer Gebiete der Russlanddeutschen in der Sowjetunion; volle Rehabilitierung der Russlanddeutschen; freie Betätigung in der eigenen Sprache und Kultur; volle Glaubensfreiheit
Verband der Deutschen der UdSSR, später: Zwischennationaler Verband der Deutschen in der GUS
1991
Wiederherstellung der Wolgarepublik oder anderer autonomer Gebiete der Russlanddeutschen in der Sowjetunion; volle Rehabilitierung der Russlanddeutschen; freie Betätigung in der eigenen Sprache und Kultur; volle Glaubensfreiheit; nachdem ein autonomes Gebiet nicht erreichbar schien, wollte man sich mit einer kulturellen Selbstbestimmung ohne eigenes Territorium zufriedengeben
3 Das vereinigte Deutschland und die Russlanddeutschen
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Galerie: Die deutsche Einigung und die Russlanddeutschen
§
Urheber: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0922-002 / Friedrich Gahlbeck
Im Herbst 1989 fanden in einigen Städten der DDR die sogenannten ‚Montagsdemonstrationen‘ statt. Die Bürger protestierten zunächst für eine demokratische Neuordnung des Landes. Später wurden Forderungen nach einer Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands laut. Dieses Bild zeigt Demonstranten in Leipzig am 16. Oktober 1989.
Die deutsche Nationalflagge wird vor dem Reichstag in Berlin gehisst: Feier zur deutschen Einheit am 3. Oktober 1990.
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Im Jahr 1989 beseitigte eine Friedliche Revolution die Herrschaft der
SED in der Deutschen Demokratischen Republik. Die Bürgerinnen und
Bürger ließen sich u. a. vom Vorbild Michail Gorbatschows leiten und
beseitigten die veränderungsunwillige SED-Herrschaft. Danach setzte eine
Entwicklung ein, die zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten
führte. Diese wurde am 3. Oktober 1990 vollzogen.
Mit der Entstehung eines vereinigten und weltoffenen Deutschland
entstand für die Russlanddeutschen eine klare Perspektive für eine
eventuelle Rückkehr in das Land, aus dem ihre Vorfahren gekommen waren.
Zugleich erhielten die Russlanddeutschen nun auch eine starke
finanzielle, organisatorische und politische Unterstützung aus
Deutschland. Dort, wo noch immer verstärkt Russlanddeutsche
siedelten, entstanden in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion
mit bundesdeutscher Hilfe nach 1990 viele kulturelle Einrichtungen.
Beispielsweise wurden in Almaty, Karaganda, Omsk und Nowosibirsk
Kulturzentren eröffnet.
Im Jahr 1990 schlossen die Regierungen Russlands und Deutschlands
einen Vertrag, in dem sie die Förderung der russlanddeutschen Kultur
vereinbarten.
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Quelle
Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit (1990)
Artikel 15 Die Bundesrepublik Deutschland und die
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken werden im Bewußtsein der
jahrhundertelangen gegenseitigen Bereicherung der Kulturen ihrer Völker
und deren unverwechselbaren Beitrags zum gemeinsamen kulturellen Erbe
Europas sowie der Bedeutung des kulturellen Austausches für die
gegenseitige Verständigung der Völker ihre kulturelle Zusammenarbeit
wesentlich ausbauen.
Beide Seiten werden das Abkommen über die Errichtung und die
Tätigkeit von Kulturzentren mit Leben erfüllen und voll ausschöpfen.
Beide Seiten bekräftigen ihre Bereitschaft, allen interessierten
Personen umfassenden Zugang zu Sprachen und Kultur der anderen Seite zu
ermöglichen und fördern staatliche und private Initiativen.
Beide Seiten setzen sich nachdrücklich dafür ein, die Möglichkeiten
auszubauen, in Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen
die Sprache des anderen Landes zu erlernen und dazu der jeweils anderen
Seite bei der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften zu helfen sowie
Lehrmittel, Einschließlich des Einsatzes von Fernsehen, Hörfunk, Audio-,
Video- und Computertechnik zur Verfügung zu stellen. Sie werden
Initiativen zur Errichtung zweisprachiger Schulen unterstützen.
Sowjetischen Bürgern deutscher Nationalität sowie aus der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken stammenden und ständig in der
Bundesrepublik Deutschland wohnenden Bürgern, die ihre Sprache, Kultur
oder Tradition bewahren wollen, wird es ermöglicht, ihre nationale,
sprachliche und kulturelle Identität zu entfalten. Dementsprechend
ermöglichen und erleichtern sie im Rahmen der geltenden Gesetze der
anderen Seite Förderungsmaßnahmen zugunsten dieser Personen oder ihrer
Organisationen.
4 Zusammenfassung
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Auf dieser Seite ging es um die Frage, welche Auswirkungen die Veränderungen, die in der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre stattfanden, auf die Russlanddeutschen hatten.
1985 kam in der Sowjetunion Michail Gorbatschow an die Macht. Er begann eine Reihe von Reformen, die die SU zu einem freieren und offeneren Staat machen sollten. Viele Russlanddeutschen hofften, dass es in diesem Staat möglich sein würde, wieder in die alten Siedlungsgebiete an der Wolga zurückzukehren und dort erneut ein gewisses Maß an Autonomie zu erhalten.
Die sowjetische Führung wollte den Russlanddeutschen aus unterschiedlichen Gründen keine Autonomie an der Wolga geben. Zudem zerfiel die Sowjetunion und löste sich 1991 in mehrere Einzelstaaten auf. Die Russlanddeutschen lebten nun in einer chaotischen Übergangsphase verteilt auf verschiedene Einzelstaaten, die sich für ihre Probleme nicht zuständig fühlten.
Gleichzeitig vollzog sich in Deutschland die Wiedervereinigung – die DDR wurde Teil der BRD. Die BRD versuchte einerseits mit verschiedenen Initiativen das russlanddeutsche Leben in den Nachfolgestaaten der SU zu stärken, andererseits sollte auch den ausreisewilligen Russlanddeutschen eine Rückkehr nach Deutschland ermöglicht werden.